Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kreatur

Die Kreatur

Titel: Die Kreatur
Autoren: Dean Koontz
Vom Netzwerk:
bekommen, keinen Urlaub, keine medizinische Versorgung. Stromschwankungen und Stromausfälle würden seine Funktion nicht beeinträchtigen.
    Wenn es sich abnutzte, würde es schlicht und einfach ausgeschaltet werden. Ein neuer Arbeiter würde an seiner Stelle angestöpselt werden.
    Victor war nach wie vor der Überzeugung, solche Maschinen aus Fleisch würden sich dem größten Teil dessen, was derzeit in Fabriken eingesetzt wurde, als weitaus überlegen erweisen. Roboter für die Fließbandarbeit sind komplexe Geräte und kostspielig in der Herstellung. Fleisch ist billig.
    Bei Randal sechs war die Agoraphobie so ausgeprägt, dass er es nicht geschafft hätte, sein Zimmer von sich aus zu verlassen. Ihm graute davor, die Schwelle zu überschreiten.
    Wenn Victor Randal für ein Experiment brauchte, brachten ihn Wärter auf einer Rollbahre ins Labor.
    »Es ist ganz ausgeschlossen, dass er ohne fremde Hilfe fortgegangen ist«, sagte Victor. »Außerdem kann er das Gebäude nicht verlassen haben, ohne Alarm auszulösen. Er muss hier irgendwo stecken. Weise das Sicherheitspersonal an, sich das Video von seinem Zimmer und die Aufnahmen der Hauptflure vom gestrigen Tag noch einmal anzusehen.«
    »Ja, Mr Helios«, sagte Annunciata.
    Wenn man das hohe Niveau der verbalen Interaktion bedachte, die sie mit Victor aufrechterhielt, dann hätte Annunciata einem Außenseiter als Manifestation einer künstlichen Intelligenz erscheinen können. Aber obwohl sie über eine Schnittstelle mit einem Computer verbunden war, spielten sich ihre kognitiven Funktionen tatsächlich in einem organischen
Gehirn der Neuen Rasse ab, das in einem hermetisch versiegelten Tank in der Computerzentrale in einer Nährlösung am Leben erhalten wurde, wo sie in das Datenverarbeitungssystem des Gebäudes eingeklinkt war.
    Victor malte sich aus, eines Tages würde die Welt nur noch mit Angehörigen der Neuen Rasse bevölkert sein, die in Tausenden von Schlafsälen lebten, und jeder dieser Säle würde von einem körperlosen Gehirn wie Annunciata überwacht und versorgt werden.
    »In der Zwischenzeit«, sagte Victor, »werde ich mir Harkers Leiche genauer ansehen. Mach Ripley ausfindig, und sag ihm, dass ich seine Mitwirkung im Sezierraum brauche.«
    »Ja, Mr Helios. Helios.«
    Victor wollte gerade wieder in das Plätzchen beißen, doch er zögerte. »Warum hast du das getan, Annunciata?«
    »Was getan, Sir?«
    »Du hast meinen Namen unnötigerweise wiederholt.«
    Auf dem Monitor zog sich ihre glatte Stirn verwundert in Falten. »Wirklich, Sir?«
    »Ja, ganz gewiss.«
    »Das war mir nicht bewusst, Mr Helios. Helios.«
    »Du hast es gerade wieder getan.«
    »Sind Sie ganz sicher, Sir?«
    »Das ist eine ungehörige Frage, Annunciata.«
    Ihr Gesicht nahm einen angemessen zerknirschten Ausdruck an. »Tut mir Leid, Sir.«
    »Analysiere deine Systeme«, wies Victor sie an. »Vielleicht ist die Nährlösung, die dir zugeführt wird, unausgewogen.«

5
    Jack Rogers, der Gerichtsmediziner, unterhielt ein Büro, in dem eine Lawine von Büchern, Aktenordnern und makabren Erinnerungsstücken den unachtsamen Beobachter jeden Moment unter sich begraben konnte.
    Sein Empfangszimmer war jedoch eher im Einklang mit dem, was sich die Öffentlichkeit unter einer Leichenhalle vorstellte. Minimalistisches Dekor. Sterile Ablageflächen. Die Klimaanlage war auf EISIG gestellt.
    Winona Harmony, Jacks Sekretärin, herrschte mit nüchterner Sachlichkeit über dieses Vorzimmer. Als Carson und Michael eintraten, war Winonas Schreibtischplatte vollständig leer – keine Fotografien, keine persönlichen Gegenstände – bis auf einen Ordner mit Jacks Notizen, von denen sie die offiziellen Autopsieberichte abtippte.
    Sie war eine rundliche, warmherzige Schwarze von zirka fünfundfünfzig Jahren und wirkte in dieser freudlosen Umgebung deplatziert.
    Carson hatte den Verdacht, Winonas Schreibtischschubladen seien mit Familienfotos, knuddeligen Stofftieren, Duftsäckchen mit Schleifen, winzigen Kissen, auf die Mottos zum Wohlfühlen gestickt waren, und ähnlichen Gegenständen voll gestopft, an denen sie ihre Freude hatte, die sie aber am Empfang eines Leichenschauhauses als Dekoration unangebracht fand.
    »Sieh mal einer an«, sagte Winona, als sie zur Tür hereinkamen. »Wenn das nicht der Stolz der Mordkommission ist.«
    »Ich bin auch noch da«, sagte Michael.
    »Wie charmant du wieder bist«, sagte Winona zu ihm.
    »Nur realistisch. Sie ist der Detective. Ich bin die komische
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher