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Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition)
Autoren: C.H. Schreiber
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blinde Öllampe kämpfte in einer
Ecke des Raumes gegen die Finsternis. Weit nach Mitternacht erwachte sein Bewusstsein
aus der traumlosen Dunkelheit seines Geistes und seine Augen begannen hinter
den Lidern wild hin und her zu zucken. Von ferne nahmen seine Ohren ein Rufen
wahr. Zunächst versuchte er, es beiseite zu schieben. Doch es wurde immer
eindringlicher, und langsam bewegten sich nun doch seine Gedanken in die
Richtung, aus der das helle Stimmchen kam.
    Bald erwachte sein Bewusstsein
völlig, und es wuchs seine Neugierde, so dass die merkwürdige Stimme seine
volle Aufmerksamkeit einnahm. Plötzlich sprang sein Geist aus seinem Körper
heraus und schwebte einen Moment lang über ihm. Er sah sich selbst auf dem Fell
am Boden liegen und dachte noch bei sich, was für ein verwahrlostes, mickriges
Männlein doch aus ihm geworden war. Sein voller, grauer Bart war zottelig und
verknotet und die ehemals wohlgeflochtenen Zöpfe waren inzwischen hoffnungslos
verfilzt. Er war abgemagert, und sein Gesicht war alt geworden. Tiefe Falten
hatten sich eingegraben. Und klapperdürr war er geworden, so fand er.
    Auf einmal hörte er wieder das
glockenklare Stimmchen nach ihm rufen, das ihn verzauberte und durch die
Erdkruste hindurch nach oben sog. Er stieg immer weiter hinauf bis an die
Oberfläche, so dass er schließlich über der Wiese schwebte, die über seiner
Höhle lag. Doch hier oben sah es völlig anders aus als sonst. Dort, wo sich
sonst saftige Wiesen befanden, erstreckte sich eine leere Einöde. Soweit das
Auge reichte, erschien der Boden aus grauer Asche zu sein, und sogar Bäume,
sofern man noch erahnen konnte, wo sie gestanden hatten, schienen zu Staub
zerfallen zu sein.
    >>Irrgrim<<, säuselte
es wieder, und diesmal konnte er hören, aus welcher Richtung der Singsang kam.
Als er seinen Blick dorthin wandte, sah er ein kleines, blaues Leuchten mitten
in einem Kornfeld, das wie eine rechteckige Oase der Fruchtbarkeit aus der
toten Erde herausragte. Das Mondlicht tauchte es in eine unwirkliche,
bläulich-grüne Farbe, doch er konnte das satte Gelb der Ähren erahnen. Und am
Rande dieser Insel pulsierte dieses blaue Licht nun stärker und stärker.
Unwillkürlich bewegte er sich darauf zu.
    Als er nahe genug war, erkannte er
zwischen den Ähren eine kleine, feine Gestalt, kaum mehr als ein Nebel, aber
wunderschön. Ein kleines, bezaubernd zartes Geistwesen, das leise kicherte als
es sein Erstaunen bemerkte, und das ihn dann wiederum mit tiefer
Ernsthaftigkeit anflehte: >> Hol´ mich, Irrgrim…hol´ mich! <<
    Irrgrim entflammte in Leidenschaft
für dieses Wesen und spürte eine Verbundenheit und Sehnsucht, wie er sie noch
nie zuvor gefühlt hatte. Wildes Verlangen stieg in ihm auf, und als er gerade
die Hand ausstrecken wollte, um zuzugreifen, erwachte er.
    Er rang nach Luft und seine Lungen
brannten, so als hätte er lange Zeit nicht geatmet. Er war schweißgebadet und
versuchte einen Punkt an der Höhlenwand zu fixieren, damit der Schwindel
aufhörte. Keuchend setzte er sich auf und verbarg sein Gesicht in den Händen.
Sein Herz raste und er versuchte sich zu beruhigen. Was war mit ihm? War er
krank? Alles war ihm so real vorgekommen. Langsam kroch er zur Öllampe und
drehte an dem kleinen Messingrädchen. Die Flamme wurde jedoch kaum größer und
so spuckte er auf seinen dreckigen Hemdsärmel, um die blinden Scheiben
wenigstens von Schmutz zu befreien und so mehr Licht in den Raum zu lassen.
    Plötzlich vernahm er ein leises
Dröhnen, das immer lauter zu werden schien. Jetzt begann auch die Erde zu
beben, doch es kam nicht von unten, aus dem Erdinneren. Eindeutig schien dieses
Donnern und Tosen von oben zu kommen, so als würde gerade der Himmel auf die
Erde stürzen oder ein Gebirge auf ihr landen. Er warf sich auf den Boden und
hielt sich schützend die Hände über den Kopf, als die ersten Lehmbrocken auf
ihn niederprasselten. Viele schreckliche Sekunden lang war er fest davon
überzeugt, das Gewölbe würde über ihm zusammenbrechen und sein Schreien ging im
Getöse unter.
    Dann war es schlagartig still. Es
rieselte noch ein wenig Erde nach, dann vernahm er nichts mehr. Er hustete bis
sich der Staub ein wenig gelegt hatte. Als er die Schockstarre überwunden
hatte, sprang er auf die Füße und eilte durch die nun halb verschütteten Gänge
zur Oberfläche. Gras und Zweige überwucherten den Eingang der Höhle, und er
musste sich erst einmal eine Schneise schlagen, bis er ins Freie treten konnte.
    Als er
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