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Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition)
Autoren: C.H. Schreiber
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und
einem ohrenbetäubenden Donnern. Eine Druckwelle breitete sich rasant über das
gesamte Feld aus, die Halme bogen sich und saugten binnen weniger Sekunden das
Feuer in sich auf. Aron und Sonnwin wurden zu Boden geschleudert. Aron kam
jedoch schnell wieder auf die Füße, rappelte sich hoch, sprintete von neuem dem
rettenden Ausgang entgegen und erreichte nun das Ende des Feldes, noch bevor
die Flammen ihn erreichen konnten. Er sprang mit einem letzten rettenden Satz
auf die graue Ebene, rollte sich ab, kam auf die Knie und blickte sich sofort
zu Sonnwin um, um zu sehen, wo er sich befand.
    Die lichterloh brennende Muhme
flog in grotesker Schnelligkeit auf Sonnwin zu, und als sie ihn fast mütterlich
in ihre Arme schloss, verlangsamte sich für Aron die Zeit. Er sah Sonnwins entsetzten
Blick, hörte das Knistern ihrer tödlich heißen Umarmung und das Zischen, das
ihrem schwarzen, leeren Mund entwich.
    >>Sonnwin! <<, schrie
Aron aus voller Kehle, und seine Stimme erstickte unter einem verzweifelten
Schluchzen. Dann löste sich die zähflüssige Zeit wie mit einer Sprungfeder, und
die Muhme riss Sonnwin blitzartig zurück in das flammende Meer, in dem ihr Feld
nun versank.
    Eine Feuerwalze rollte über die
Ähren auf Aron zu und ließ ihn keuchend zurück auf die Asche der Steppe fallen.
Gerade so eben noch konnte er der Hitze entgehen, die ihm nun wie eine Faust
entgegenschlug.
    Sie rollte genau bis zum Rand des
Feldes, leckte aus dem Korn heraus, wurde dann aber wie eine Meereswelle im
Gezeitenstrom wieder zurückgesogen. Ein greller tausendstimmiger Chor
verzweifelter Hexenseelen schrie so laut, dass Aron sich die Hände gegen die
Ohren pressen musste. Und auch in Ranjas Kopf kreischte es nun einen quälend
langen Schrei der sterbenden Seele Grylas. Und als sie nach kurzer Ohnmacht
erwachte, lag der tote Körper der Ida auf ihr.
    Sie war frei.
     
     

52
     
    Es dauerte etwa eine Woche, bis
die Urmitzer zu glauben wagten, was geschehen war. Noch waren sie vorsichtig
und konnten kaum fassen, dass die Sonne von nun an tagein tagaus über ihren
Köpfen schien, und die Bäume Knospen trieben, gerade so, als nähmen der
Raunewald, und die Felder der Bauern in seiner Mitte, ein tiefen, erholsamen
Atemzug.
    Das gesamte Land atmete auf, als
sich der feste Griff der Hexen löste, und unzählige Dörfer in die Freiheit entließ.
Die Natur schlug nun aus, wie sie es zuvor noch nie getan hatte. Sie sprengte
ihre Fesseln, und die Leute sagten, dass sie nun nachholen wolle, was sie in
den unzähligen Jahren hatte zurückhalten müssen. Urmitz erblühte in nie
gekannter Farbenpracht.
    Manche zweifelten jedoch noch,
dass die Gryla für immer fort war.
    Ranja aber wusste es ganz sicher.
Die Hexe war mit ihr vereint gewesen, als sie gestorben war, und sie hatte es
deutlich gespürt - hatte gefühlt, wie ihr Geist erloschen war, und dass es vor
allem Überraschung gewesen war, die Gryla in ihren letzten Momenten empfunden
hatte.
    Das Mädchen saß seit diesem Tag
auf der Bank vor Maras Haus und blickte, auf Arons Wiederkehr wartend, von
Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang in den Raunewald hinein.
    Nachts sprach sie in ihren Träumen
mit ihm, und er hielt um ihre Hand an.
    Gryla war in der Vorstellung der
Urmitzer immer noch lebendig, und nur langsam wuchs Vertrauen in den Herzen der
Dörfler. Schließlich, als sogar Ansgar zu glauben begann, dass Urmitz befreit
war, sattelten sie all ihre Pferde, spannten hinter jedes einen Karren und
ritten mit jedem Kind und jedem alten Mütterchen durch den Raunewald hinaus in
die Freiheit. Das erste Mal seit unzähligen Generationen betraten Urmitzer den
flüsternden Grund, ritten durch zauberhaft blühende Landschaften, und schauten
entrückt hinunter ins Tal, wo sie das erste Mal den ruhig dahinziehenden Fluss
erblickten. Dieser Sommer wurde der ertragreichste, den Urmitz je gesehen
hatten, und die Speisekammern der Dorfbewohner quollen im folgenden Herbst
schier über.
     
    Das Volk der Unterirdischen
hingegen versank in Chaos, verflucht von genau den Mächten, mit denen sie seit
Jahrtausenden im Bunde gestanden hatten, und aus deren Kraft sie einst gespeist
worden waren.
    Da das Seelenfeld von Zwergenhand
zerstört worden war, wandten diese sich nun gegen sie. Und so endete nicht nur
die Ära der Hexen, sondern auch die der Zwerge. Sonnwins Frevel schrieb sich
unauslöschlich in die Geschichte seines Volkes, das nun seiner magischen Kräfte
beraubt, und bald auch ohne Wohlwollen und Schutz
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