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Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition)
Autoren: C.H. Schreiber
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den Blick auf die vom Mond
hell erleuchtete Ebene richtete, erstarrte er. Er war nicht oft hier oben
gewesen, doch was er jetzt sah, war so anders als alles, was er in Erinnerung
hatte, so dass es ihm den Atem verschlug. Der Duft der Bäume und Gräser war
verschwunden und er stand mit seinen Füßen auf grauer Asche. Wie zuvor in
seinem Traum, war die Landschaft nun bis zum Horizont zu einer Einöde
verwandelt. Und nicht weit von ihm erhob sich tatsächlich auch ein durch den
Mond hell erleuchtetes Viereck - ein Feld. Fast von alleine bewegte er sich nun
darauf zu.
    Er glaubte das Stimmchen wieder zu
hören, doch ganz sicher war er sich nicht. Der beißende Staub in seinen Augen
gab ihm die Gewissheit, diesmal nicht zu träumen. Er wollte die kleine Schöne
wiedersehen. Und diesmal würde er sie mitnehmen, ja, das würde er! Als er näher
kam und die im Wind aneinander reibenden Ähren rauschen hörte, mahnte ihn eine
innere Stimme zur Vorsicht. Sofort wurde er langsamer und begann zu schleichen.
Er spürte instinktiv, dass das Feld eine große Gefahr verbarg. Er fand keine
Worte dafür, doch er hatte das ganz sichere Gefühl, dass etwas dieses Feld
bewachte. Als er nur noch wenige Schritte davon entfernt war, ließ er sich auf
alle Viere fallen und spähte zwischen die Halme. Und wirklich: Nur wenige Meter
von ihm entfernt pulsierte ein trübes blaues Licht. Da Angst in ihm aufstieg,
zögerte er.
    Doch plötzlich schrie eine
verzweifelte Stimme in seinem Kopf: “Hol‘ mich!“, und von Schrecken ergriffen,
reagierten nun seine Glieder blitzartig, und er stürzte sich in das Feld hinein
auf das blaue Licht zu. In dem Moment, als er die ersten Ähren berührte, hörte
er von Ferne ein Rauschen und ein wütendes Zischen. Dann spürte er ganz
deutlich, dass etwas auf ihn zugeflogen kam. Er blickte auf den Boden vor seine
Füße und sah dort eine wunderschöne blaue Blume, von der das Leuchten ausging.
Sie hatte eine ungewöhnliche Form – unzählige, ineinander verschränkte, blaue
Blätter mit leicht weiß leuchtenden Rändern und einem Stempel, dessen Fäden
sich wie Fühler bewegten.
    Ohne nachzudenken, griff er zu und
riss sie samt Wurzeln aus dem Boden. Dann drehte er sich um und rannte so
schnell seine Füße ihn tragen konnten aus dem Feld heraus. Bevor er jedoch die
rettende, graue Erde erreichte, legte sich ihm eine schwarze, glühende Hand auf
die Schulter. Mit einer Drehung wand er sich aus ihrem schrecklichen Griff,
doch ein stechender Schmerz durchschoss ihn und er schrie vor Schmerz und
Angst. Er presste die Blume an sich und taumelte so schnell er konnte zurück
zum Höhleneingang. Dort stolperte er keuchend und vor Schmerzen stöhnend die
Gänge hinab, fiel hin, schlug sich Knie und Hände auf, raffte sich auf und
krabbelte bald auf allen Vieren zurück in seine unterirdische Wohnung, immer
die zarte Blume mit einer Hand beschützend und darauf bedacht, sie nicht zu
zerquetschen. Mit letzter Kraft schleppte er sich auf sein Lager und verlor das
Bewusstsein.

3
     
    Kaum ging die Sonne auf, erwachte
Urmitz zum Leben. Schon in der Dunkelheit hatten die Frauen die Öfen befeuert,
und so stieg dichter Rauch aus den kleinen Schornsteinen der Häuser auf und
mischte sich im dämmrigen Morgennebel zu einem fast undurchdringlichen Brei,
der nun schwer über dem verschlafenen Dörfchen hing. Der Raunewald und die
Wiesen rund um die Häuser waren ein trüber Ort, genau wie es die Seelen der
Bewohner zu sein schienen. Das Gras hatte fast keine Farbe und über dem Dorf
erstreckte sich auch im Sommer oftmals nur eine dicke, graue Wolkendecke.
    Lioba war ebenfalls schon länger
auf den Beinen und warf sich nun ihren Umhang über, um durch den knöchelhohen
Schnee zur Wasserquelle zu stapfen. Sie hatte schon einen Teil der Hausarbeit
erledigt und wollte nun ihren Mann mit einem warmen Hirsebrei wecken. Als sie
die Tür öffnete, schlug ihr eiskalter Wind entgegen. Sie zog die Schultern hoch
und grub sich noch tiefer in ihr Fell. Dann lief sie hastig durch das trübe
Grau zur Quelle, die, nicht weit von ihrem Häuschen entfernt, an einem
Felsvorsprung hervortrat und den Stein herablief. Sie schlug mit dem Holzeimer
die dünne Eisschicht auf, die sich über Nacht auf dem kleinen Tümpel vor dem
Felsen gebildet hatte, tauchte ihn tief hinein und zog ihn gefüllt wieder
heraus.
    Als sie sich aufrichtete, hielt
sie in ihrer Bewegung plötzlich inne, denn ihr Blick fiel auf einen Reiter, der
sich vom Waldrand her
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