Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition)
Autoren: C.H. Schreiber
Vom Netzwerk:
und ungeahnte, unumstößliche Ereignisse heraufbeschwören würde!
    Er prophezeite ihnen, dass einer
unter ihnen sei, der sie eines Tages von der Hexe befreien würde, wenn ihr
Glaube nur stark genug wäre. Reinulf, Lioba und auch Aron entschieden, dass sie
mit dem neuen Gott an ihrer Seite gegen die Gryla einen Plan ersinnen würden.
Er gab ihnen den Mut, der bisher unzähligen, vorherigen Generationen von
Urmitzern gefehlt hatte. Sie beteten für David, den damals gerade geborenen
Sohn Reinulfs, der mit Hilfe dieses neuen Gottes den Raunewald verlassen können
sollte, um Hilfe zu holen, sobald er alt genug war. David war auserwählt
worden, Urmitz zu befreien. Zwar wussten sie damals noch nicht so recht, wie
dies vonstattengehen sollte, aber Goar weihte dieses Kind auf Reinulfs Drängen
hin zu dieser großen Aufgabe.
    Von ihrem Plan erzählten sie
nichts im Dorf. Zu groß war die Zahl der Spötter und Ungläubigen. Nicht einmal
nähere Verwandte wie Mara, die alte Tante  Liobas, oder seine direkten
Nachbarn, hatte Reinulf eingeweiht. Seinen Kindern hatte er eingeschärft, kein
Sterbenswörtchen darüber zu verlieren, ja, nicht einmal darüber nachzudenken!
    Bald darauf verließ Goar Urmitz.
Reinulf verwahrte  seinen Wanderstock wie eine Reliquie in dem Dachstuhl seines
Hauses auf. Man sagte, Goar habe sich bald darauf nahe der kleinen Stadt Wochara
am Rheijn wie ein Einsiedler in eine Felsenhöhle zurückgezogen.
     
    Das Wiehern des Pferdes kam nun
wieder näher. Der Hengst schien nun vor Reinulfs Haus wild hin und her zu
galoppieren. Immer noch stand er hinter der Türe und lauschte. Es nutzte nichts,
er konnte nicht ewig hier drinnen verharren. Schließlich musste man etwas tun,
um das wütende Tier zu zähmen. Er atmete mehrfach tief ein und aus und gab sich
dann endlich einen Ruck. Als er mit dem Schwert voran nach draußen trat und den
toten Gerolf vor sich liegen sah, wusste er, dass es so nicht weitergehen
konnte. Zum siebten Mal jährte sich Goars Weggang. Sieben Jahre waren vergangen
seit der Geburt seines Sohnes. Jahre, in denen sie ausgeharrt hatten, um auf
den richtigen Moment zu warten. Gerolfs weit aufgerissenen Lieder, und tief in
die Höhlen gesunkenen Augen erzählten von einem letzten grauenvollen Anblick,
der so furchterregend gewesen sein musste, dass sich sein Antlitz und sein Haar
grau gefärbt hatten. Hinter dem Toten bäumte sich mit wirrem Blick das
verzweifelt schreiende Tier immer wieder auf.
    Reinulf hatte David schon oft
gesagt, dass eines Tages eine große Herausforderung auf ihn warten würde, aber
jetzt erst verstand er, dass er immer verdrängt hatte, was für eine kaum zu
bewältigende Aufgabe er seinem kleinen Jungen da zumuten wollte. Und noch etwas
merkte er: nämlich, wie wenig er innerlich bereit war, sein Kind für Urmitz ins
Ungewisse zu schicken.
     
    Es dauerte den halben Morgen, bis
Gerolfs Pferd gebändigt war. Irgendwann brach es einfach tot zusammen und alle
erzählten von nun an, dass die Gryla Mensch und Tier sogar mit solchem Grausen
verseuchen konnte, dass sie an wilder Raserei verreckten, wie an einer
bestialischen Krankheit.

4
     
    Noch immer lag Irrgrim reglos auf
dem Boden seiner Höhle. Wäre er bei Bewusstsein gewesen, hätte er im schwachen
Schein der Öllampe Merkwürdiges beobachten können. Die blaue Blume glomm im
Takt seines Herzschlages nun immer schwächer und schwächer. Irgendwann löste
sie sich dann aus seinem erschlafften Griff und wand sich zwischen seinen
Fingern hindurch. Ihre Wurzeln begannen wie Spinnenbeine tastend seinen Arm
herauf zu krabbeln, den Stängel mit dem Blütenkelch hinter sich her schleifend.
Wie ein halb tot geschlagenes Insekt kroch das Gewächs stockend, den Weg zu
seiner Brust suchend, auf sein Herz zu.
    In dem Moment, als ein erster
fühlerartiger Wurzelfinger Irrgrims Brust erreichte, und durch ein Knopfloch
die nackte Haut über seinem Herzen berührte, durchschoss es ihn wie ein Blitz,
unendlich schmerzhaft und wohlig zugleich. Er hörte die Stimme wieder seinen
Namen rufen, diesmal ganz laut in seinem Kopf und er erwachte schlagartig und
schreiend mit der Hand immer wieder auf seine Brust schlagend. Die Blume war
von ihm abgefallen.
    Was war das gewesen? Es hatte sich
angefühlt, als hätte jemand ein Messer in seine Brust gerammt, und trotzdem war
es das ergreifendste Gefühl, dass er je gespürt hatte. Als hätte sich eine
fremde, grausame und doch behütende Seele für den Bruchteil einer Sekunde mit
der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher