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Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition)
Autoren: C.H. Schreiber
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war vor etwa sieben Jahren. Ranja war gerade
elf geworden, und ihre Mutter lag im Kindbett. Trotz aller Warnungen, waren die
Burschen bis an die Zähne bewaffnet in den Wald geritten und hatten tagelang
nach Grylas Versteck gesucht - dann irgendwann gegen sie gekämpft. Ihre
verzweifelten, markerschütternden Schreie hörten die Dorfbewohner Tag und
Nacht, so als spielte Gryla mit ihnen, wie eine Katze mit ihrer Beute spielt.
Als auch der Letzte sein Lebenslicht aushauchte, wurde es still im Raunewald,
und als der Morgen dämmerte, fanden sich die mit Blut geschmierten Symbole von
drei Gehenkten am Gemäuer der alten Schenke.
    Neun Tage lang blieben die Urmitzer
deshalb verängstigt in ihren Hütten und das Vieh in den Ställen. Sie riefen mal
wieder Odin und Thor um Hilfe an, indem sie Hühner opferten, ihre Köpfe auf
Spieße steckten und ein paar Schafe in die Wälder trieben, um Gryla zu
besänftigen. Lioba, die in den Wehen lag, schwor unter Schmerzen und bei dem
Leben ihres Neugeborenen, dass sie Urmitz einen Retter gebären würde.
    Bald darauf war dann ein
Wanderprediger des Weges gekommen und hatte berichtet, er habe die grausam
zugerichteten Körper der Männer im Raunewald hängen gesehen. Kopfüber in den
Bäumen, an einem Bein festgebunden, das andere angewinkelt, wie auf dem Bild
des gehenkten Mannes, das Reinulf einmal bei einer wandernden Weissagerin in
den Karten gesehen hatte.
    Dieser Prediger mit dem Namen
Goar, war damals oft in Urmitz aufgetaucht. Jedes Mal - so behauptete er - sei
er ohne die Gryla um Erlaubnis zu bitten, in den Wald hineingegangen und auch
wieder heraus. Er konnte sich frei bewegen. Er brachte die Lehre von einem
neuen, viel kraftvolleren Gott. Dieser alleine wäre mächtiger, als alle Götter
der Urmitzer zusammen genommen und selbstverständlich auch als die Gryla. Eine
Offenbarung in einem Traum habe ihn nach Urmitz geführt. Gott selbst habe ihm
aufgetragen, seinen Heimatort zu verlassen und so lange in nordöstlicher
Richtung zu laufen, bis er ein Dorf finden würde, das an einer kleinen
Bachbiegung läge. Das Wasser des Baches sollte das alte Holz seines
Wanderstabes zum Grünen bringen, wenn er ihn hineintauchte. Dann würde er
wissen, dass er das richtige Dorf gefunden hatte.
    Er verließ seinen Geburtsort in
der fernen Provinz Aquitanien und wanderte viele Jahre die Musel entlang durch
die schier endlose Bergwelt. Durch zwei Länder hindurch reiste er, bis er die
sieben Gebirge fand und auch hier jedes nur erdenkliche Dorf aufsuchte. Goar
war abgemagert und heruntergekommen über die lange Zeit. Er konnte Frösche und
einige kleine Fische mit den Händen fangen und lebte von den Wurzeln, Kräutern
und Beeren des Waldes. Sein Glaube allerdings war unerschütterlich und so rein,
dass dieser ihn über die harten Jahre der Entbehrung hinweggetragen hatte. Und
dann eines Tages ergrünte das Holz seines Wanderstabes, als er ihn im
flüsternden Grund in den Urmitzer Bach hielt. Urmitz hätte er fast übersehen,
da es so klein war und tief im dichten Urwald des Raunewaldes versteckt lag. Er
fiel auf die Knie und betete ein langes Dankesgebet. Von diesem Tag an besuchte
er Urmitz regelmäßig.
    Irgendwann blieb er für ein paar
Monate zu Gast bei Reinulfs Familie. Er lehrte sie über den einen Gott, der
höher als jeder ihrer Götter stand und brachte die Evangelien nach Urmitz. Er
taufte jeden, der ihm folgen wollte. Etwa eine Handvoll Dorfbewohner, Reinulfs
Familie, sowie Aron, ein Freund von Reinulfs Tochter, traten zu dem neuen
Glauben über. Manche hielten es jedoch für sicherer, nicht nur dem neuen,
sondern weiterhin auch den alten Göttern und auch Gryla zu opfern. Irgendwann
vergaßen die meisten Urmitzer den neuen Gott schließlich wieder, und so blieben
nur Reinulfs Familie und Aron im Glauben zurück. Andere wie Ansgar, hatten von
vorne herein nur über den alten, verlotterten Mann gelacht, der sich auf
Reinulfs Kosten durchfraß und ein warmes Bett umsonst bekam. 
    Die Hexe aber blieb ruhig während
seiner Anwesenheit. Keiner wusste, ob es Zufall war oder ob er wirklich die
Macht hatte, ihre Häuser zu weihen, aber es trug dazu bei, dass die, die ihm
wirklich folgen wollten, ihren Göttern abschworen und sich nun hoffnungsvoll
diesem neuen, einzigen Gott zuwandten. Jedes Mal, wenn Goar kam, versammelten
sie sich in Reinulfs Hütte und hörten ihm zu. Ihnen pflanzte Goar ein
machtvolles Samenkorn der Hoffnung in die Herzen, dessen Kraft über die Jahre
heranwuchs
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