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Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition)
Autoren: C.H. Schreiber
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Wind peitschte
den Regen bei jedem Pendelschlag wie eine Ohrfeige in sein Gesicht. Sie schien
keine Mühe zu haben, sich dort oben zu halten, ja, es sah so aus, als reite sie
ein besessenes Tier. Gerolf hörte deutlich den Stamm der jungen Fichte unter
ihr ächzen. Er wusste aus vielen Erzählungen, dass die Alte auf den Baumwipfeln
ritt, doch welch grauenvolles Bild das war, sah er erst jetzt - im Augenblick
seines Todes.

 
     
2
     
    Weit entfernt vom Raunewald, tief
unter der Erde, schlief Irrgrim in seiner Höhle. Er wohnte weit außerhalb von
Swartalfheim, oder auch Schwarzalbenheim, wie der Hort der Zwerge genannt
wurde. Er war ein Einsiedler. Nicht nur er selbst fühlte, dass er anders war -
sie hatten ihn immer spüren lassen, dass er aus einer niederen Sippe kam und
noch dazu ein Nichtsnutz, ein stinkender Herumtreiber und Halunke war. Er hatte
seinem eigenen Volk den Rücken gekehrt und fühlte sich oftmals so alleine, dass
er begann mit den Wänden seiner Höhle zu sprechen. Manchmal ertappte er sich
bei dem Gedanken, dass er den Verstand verlieren oder einfach hier unten
sterben würde. Ratten und Würmer waren seine einzigen Gefährten und Mahlzeiten
zugleich. Und kreuzte doch einmal zufällig ein Unterirdischer die Gänge, die zu
seiner Wohnhöhle führten, so roch dieser den Verwahrlosten schon fast eine
Meile vorher.
    Der einzige Eingang ins
Zwergenreich, den die Menschen am Rhein kannten - der Weg in ein unendlich
verzweigtes Netz von Tunnelgängen, das hunderte Meilen ins Land hinein reichte
und fast eben so weit in die Tiefe ging - er wurde bei den Menschen oftmals nur
die Ofenkaulen genannt. Der Weg ins Reich der Zwerge war nämlich entdeckt
worden, als die Menschen unten im Rheijntalischen die Abbruchhöhlen schufen, um
Tuffstein für ihre Öfen zu gewinnen. Dies war der einzige Weg, den sie kannten.
Es gab jedoch fast überall an der Oberfläche geheime Ausgänge. Doch waren sie
so gut getarnt, dass die Menschen sie oft für Fuchsbauten hielten oder gar
nicht erst fanden.
    Im Winter zwar zogen sich die
unterirdischen Völker in die große Wärme des Erdinneren zurück und blieben vor
den Augen der Menschen verborgen. Im Frühling jedoch, wenn die ersten
Sonnenstrahlen langsam den Boden erwärmten, kamen sie in die oberen Höhlen und
es begab sich von Zeit zu Zeit, dass so mancher im Steinbruch einen
kleinwüchsigen, seltsam behuteten Bärtigen zu sehen bekam. Menschen hatten
Angst vor den Geschöpfen der unteren Welt. Sie glaubten, sie würden aus dem Reich
der Toten selbst heraufkommen um sie zu holen.
    Dass die Zwerge alles andere im
Sinn hatten, als jemals irgendein Geschöpf der oberen Welt in die Tiefen ihrer
Welt dort unten zu bringen, wussten sie nicht. Die scheuen Wesen fühlten sich
im Gegenteil sogar mehr und mehr bedrängt von den Menschen, die immer weiter in
die Berge eindrangen, und sie hatten ihrerseits mächtige Angst vor ihnen. Dazu
gesellte sich eine Mischung aus Verachtung und Ekel und eine gehörige Portion
Wut auf die menschliche Angewohnheit, in alles und jedes die Nase zu stecken,
und fremderleuts Dinge einfach an sich zu reißen.
    So kam es manchmal vor, dass
Arbeiter und Zwerge, wenn sie einander begegneten, schreiend an die Oberfläche
zurück und in die tiefer liegenden Tunnel rannten. Auf beiden Seiten der
Erdkruste bildeten sich so über die Jahrtausende hanebüchene Mythen und
allerlei verworrene Geschichten über das jeweils andere Volk.
    Im riesigen Reich der Zwerge
verbargen sich viele Schätze. Und über die Zeiten hinweg hatte sich so viel Gold
angehäuft, dass das Zwergenvolk große Teile davon schon wieder vergessen hatte.
Trotzdem verteidigten sie selbst jede noch so uralte Unze vor den eifrig
suchenden Menschen todesmutig und eifersüchtig mit ihrem Leben, und arbeiteten
sich stetig und ständig tiefer in das Gestein, um neue Erze zu finden und neues
Kunsthandwerk zu schmieden.
    Im Kunsthandwerk, das immer auch
mit der Magie verbunden wurde, waren sie unübertroffen und viele hatten es bis
zur Meisterschaft gebracht. Das Volk der Zwerge war stolz auf seine Künste und
wurde dafür hoch geachtet. Irrgrim hingegen hatte sich im Laufe seines Lebens
keine solcher Fertigkeiten angeeignet. Und wäre nicht in dieser Nacht etwas
Außerordentliches von immenser Tragweite in sein Leben getreten, es würde hier
für diesen nichtsnutzigen Tunichtgut kein einziges Wort verschwendet werden.
    Er döste in der dämmrigen
Dunkelheit vor sich hin. Nur eine alte, halb
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