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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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kapierst es immer noch nicht, oder? Hast du noch nie etwas von Gewissensbissen oder Schuldgefühlen gehört? Du hast jemanden getötet, Sonia. Du hast es im Voraus geplant und dann in die Tat umgesetzt. Dass ich ihn kannte und mochte, tut jetzt nichts zur Sache. Du hast ihn nicht getötet, um mich zu schützen, und es war auch nicht Notwehr oder ein Unfall. Du hast es geplant und in die Tat umgesetzt, weil du nicht wolltest, dass dein hässliches kleines Geheimnis herauskam. Das war dir wichtiger als ein Menschenleben. Und deswegen, liebe Sonia, sind das gar nicht viele Forderungen.«
    »Hast du mir sonst noch was zu sagen?« Obwohl sie kreidebleich war und ihr Mund schmal und verbissen wirkte, verlor
sie nicht die Beherrschung. Was würde ihre Fassade je zum Bröckeln bringen?
    »O ja. Erstens: Sollte die Polizei jemals in Betracht ziehen, eine andere Person unter Anklage zu stellen, werde ich ihnen sofort alles sagen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Und zweitens: Ich werde dich im Auge behalten. Glaub ja nicht, dass ich dich jemals aus den Augen lassen werde. Wenn du dich nicht an meine Bedingungen hältst, bekomme ich das mit. Ich werde dir das nicht durchgehen lassen.«
    »Ganz wie du meinst. Den Weg nach draußen findest du ja sicher selbst.«
    »Erst musst du mir sagen, dass du meine Bedingungen akzeptierst. Vorher gehe ich nicht.«
    Ich sah, wie sich ihre Kieferpartie verspannte und ihre Nasenflügel sich leicht blähten. Dann entgegnete sie mit tonloser Stimme: »Also gut, ich akzeptiere sie.«
    »Gut.« Ich stand auf. »Dann leb wohl.«
    »Leb wohl.« Zögernd fügte sie hinzu: »Ich habe nur getan, was du tun hättest sollen, dich aber nicht getraut hast.«
    In dem Moment begriff ich, wie es dazu kommen konnte, dass man jemanden im Affekt umbrachte  – angetrieben von einer kalten, sinnlosen Wut. Der Druck baute sich in mir auf wie ein Sturm, bis er schließlich hinter meinen Augen pulsierte, meine ganze Kehle ausfüllte und mich zwang, die Fäuste zu ballen.
    »Du widerst mich an!«, stieß ich hervor. »Hayden war mehr wert als hundert von deiner Sorte! Nein, tausend!«
    Mit diesen Worten drehte ich mich um und stürmte hinaus. Als ich die Tür hinter mir zuzog, hörte ich drinnen einen lauten Schrei. Dann folgte ein schrecklicher Lärm, als würden Dinge durch die Luft fliegen und jede Menge Glas zersplittern. Das Schreien hörte nicht auf. Es klang wie das Geheul eines Tiers, das in einer Falle gefangen war. Ein paar Augenblicke blieb ich stehen und hörte zu, wie die Frau, die einmal
meine liebste Freundin gewesen war, wie eine leidende Kreatur vor sich hinbrüllte. Dann ging ich.

Davor
    Ich ließ mir Zeit. Langsam wanderte ich die Straße zu Lizas Wohnung entlang. Ich fühlte mich wie in einem Traum. Die Leute um mich herum schienen zu einer anderen Welt zu gehören, einer Welt der Zielstrebigkeit und Gewissheit, in der es Regeln einzuhalten und Orte aufzusuchen galt. Die Sonne war inzwischen untergegangen und hatte ein geheimnisvolles Dämmerlicht hinterlassen, das mit kühler Luft einherging, so dass ich in meiner dünnen Jacke plötzlich fröstelte. Der Sommer verabschiedete sich allmählich. Schon bald würde der Herbst beginnen.
    Wie weit kann sich ein Mensch ändern? Wie weit kann man sich darauf verlassen, dass er sich tatsächlich ändern wird? Wie weit sollte man seinem Verstand, wie weit dem Herzen folgen? Wenn man sich doch so schrecklich wünscht, wieder seine Arme zu spüren, seinen Atem im Haar zu fühlen und zu hören, wie er einen zärtlich flüsternd beim Namen nennt  – ist es da falsch, diesem Gefühl nachzugeben?
    Jeder Schritt, den ich auf Hayden zuging, brachte mich einer Entscheidung näher. Unter einer knorrigen Platane blieb ich einen Moment stehen. Zu lieben und geliebt zu werden, zu begehren und begehrt zu werden  – aber auch wieder schwach zu sein, einem anderen Menschen ausgeliefert, und wieder von ihm verletzt zu werden, wieder verraten, wieder verlassen.

Danach
    Offenbar war es nicht vorgesehen, dass die Musiker an der eigentlichen Trauung teilnahmen. Gott sei Dank. Während Danielle und Jed in der Kirche vor all ihren Lieben den heiligen Bund der Ehe eingingen, trugen wir unsere Ausrüstung ins Tiefgeschoss eines Hotels in Holborn. Überall rannten Leute herum, waren damit beschäftigt, Tische zu schleppen, stapelweise Teller durch die Gegend zu tragen und Blumenvasen zu verteilen.
    Wir waren nicht gerade die fröhlichste aller Bands. Ein paar Tage
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