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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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zuvor hatte ich spätabends ein Geräusch an meiner Wohnungstür gehört, das man kaum als Klopfen bezeichnen konnte. Es klang eher, als würde jemand verzweifelt an der Tür kratzen. Als ich aufmachte, sah ich mich einem weinenden Amos gegenüber.
    »Sonia hat mich verlassen!«, stieß er hervor.
    Ich führte ihn zum Sofa und drückte ihm ein Glas Whisky in die zitternden Hände. Er kippte ihn hinunter, als hätte er schrecklichen Durst. Als er dann zu erzählen begann, bestanden seine Sätze hauptsächlich aus Schluchzern.
    »Sie hat mich einfach so verlassen.«
    »Das tut mir leid.«
    »Sie zieht weiter«, fuhr er fort. »Sie hat ihren Job hingeschmissen und verlässt die Stadt. Sie will sich anderswo etwas Neues suchen. Wo, wollte sie mir nicht verraten.« Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Dann sah er mich an. »Willst du dazu denn gar nichts sagen?«
    »Mir fehlen die Worte«, antwortete ich, ausnahmsweise ganz wahrheitsgetreu.
    »Hast du davon gewusst?«, fragte er. »Hast du gewusst, dass sie alles hinwerfen, alles hinter sich lassen wollte?«
    Zum Glück waren das nur rhetorische Fragen. Über eine
Stunde lang redete und heulte Amos sich alles von der Seele. Am liebsten hätte ich zu ihm gesagt, dass er aufhören, dass ich nicht die Person sei, der er all diese Dinge erzählen solle. Ich hätte ihn auch fragen können, warum er so versessen darauf war, mir zu demonstrieren, welch starke Gefühle er für eine andere Frau empfand, verkniff es mir aber, weil ich die Antwort im Grunde schon kannte. Amos hatte gern alles unter Kontrolle, doch die Sache mit Sonia war ihm einfach passiert. Sie hatte nicht zu seinem großen Lebensplan gehört. Abgesehen davon fiel mir keine Frage ein, die ich ihm noch stellen wollte. Es interessierte mich gar nicht so sehr, was Amos zu sagen hatte. Er konnte mir sowieso nichts erzählen, was ich nicht schon wusste, so dass es letztendlich einfacher war, mich zurückzulehnen, eine mitfühlende Miene aufzusetzen und ihm immer wieder von dem Whisky nachzuschenken, während er redete.
    Als er schließlich aufstand, um zu gehen, schwankte er bereits ein wenig.
    »Dir ist klar, was das bedeutet, oder?«
    »Was?«, fragte ich.
    »Jetzt können wir nicht mehr auf der Hochzeit spielen.«
    Ich erklärte ihm mit Nachdruck, dass wir versprochen hatten zu spielen. Ich würde das durchziehen, und er auch. Der Rest der Band reagierte etwas gelassener auf Sonias Ausscheiden. Guy setzte zu einer sarkastischen Bemerkung an, überlegte es sich dann aber anders. Die Ereignisse und Konflikte der letzten Wochen hatten ihn mürbe gemacht, so dass er am Ende nur murmelte, er werde sein Bestes geben und mich hoffentlich nicht enttäuschen. Joakim zuckte lediglich mit den Schultern.
    »Ich schätze mal, ihre Beweggründe gehen mich nichts an«, meinte er.
    »Irgendwie schon«, entgegnete ich, »denn ohne Sonia werden wir beide einen Großteil des Gesangs übernehmen müssen.«

    Wir setzten uns also zusammen und besprachen rasch, wer was vortragen sollte. Joakim hatte eine etwas dünne Stimme, die mich an die Sänger vieler Indie-Bands erinnerte, aber wahrscheinlich würden alle jungen Mädchen auf der Hochzeit begeistert von ihm sein. Was meine eigene Stimme betraf, hatte ich ebenfalls meine Zweifel. Ich war nicht gerade Bessie Smith, auch wenn ich mir das gewünscht hätte. Trotzdem war ich in der Lage, einen Ton zu halten, und daran gewöhnt, vor meinen Klassen zu singen, um ihnen zu demonstrieren, wie etwas klingen sollte.
    Neal wirkte zunächst etwas besorgt, als ich es ihm erzählte.
    »Glaubst du, sie verliert die Nerven?«, fragte er. »Will sie plötzlich ein Geständnis ablegen, um ihr Gewissen zu erleichtern ?«
    »Nein, ganz bestimmt nicht«, antwortete ich. »Dieser Typ ist sie nicht.«
    Neals Blick wurde nachdenklich, dann misstrauisch.
    »Gibt es da etwas, das ich wissen sollte?«
    »Nein«, antwortete ich, erneut wahrheitsgetreu. Es gab zwar ein paar Dinge, die er nicht wusste, aber nichts, was er wissen sollte . Trotzdem hatte ich das Gefühl, noch etwas hinzufügen zu müssen. »Es war wahrscheinlich unvermeidlich. Mit solch einem Damoklesschwert über unseren Köpfen hätten wir sowieso nicht zusammenbleiben können. Da ist es wohl wirklich das Beste, wenn sie woandershin geht, wo sie einen neuen Job findet und neue Leute kennenlernt.«
    »Aber sie hat Amos verlassen«, wandte Neal ein.
    »Da können wahrscheinlich beide von Glück reden.«
    »Ist das jetzt nicht ein bisschen
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