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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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als Gruppe jemals gemeinsam gespielt hatten. Sofort spürte ich, wie ein erleichtertes Aufatmen durch den Raum ging, und gleichzeitig stürmte alles auf die Tanzfläche  – auch wenn das vielleicht nur ein kollektiver Versuch war, so zu tun, als wären die fünf Minuten davor gar nicht passiert. Der Song basiert darauf, dass die Melodie zwischen Banjo, Gitarre und Geige hin- und hergereicht wird wie in einer Art Freundschaftsspiel. Als wir erkannten, wie begeistert die Leute darauf reagierten, dehnten wir das Ganze aus wie Badmintonspieler, die einen Federball endlos in der Luft hielten. Irgendwann sah ich zu Neal hinüber, der mich verschwörerisch angrinste. Sogar Amos wirkte eine Spur lebhafter. Einen Moment lang spürte ich, wie sich solch ein gemeinsames Musizieren eigentlich anfühlen sollte und was wirklich gute Musik vermochte: welche Wunden sie heilen konnte und wie sie in der Lage war, einem bessere Zeiten zu verheißen. Ich wusste, dass wir keine wirklich gute Musik machten, zumindest spielten wir sie nicht übermäßig
gut, aber wir taten, was +wir konnten, und wir taten es gemeinsam.
    Das Gefühl der Einheit, das uns die Musik vermittelte, war nur eine Illusion. Ich hatte Amos angelogen, und Neal ebenfalls, wenn auch auf eine andere Art. Guy glaubte, dass ich seinen Sohn vom rechten Weg abgebracht hatte. Und Joakim? Hatte ich ihn tatsächlich vom rechten Weg abgebracht? Und dann gab es da noch die Menschen, die nicht mehr da waren, die Lücken und Leerstellen  – die Gesichter, die ich nie wiedersehen würde.
    Aber den Leuten war das wohl egal. Nachdem wir den Song auf ziemlich chaotische Weise beendet hatten, gab es nicht nur Applaus, sondern Jubelrufe, Pfiffe und Gejohle. Wir stimmten ein weiteres, noch etwas wilderes Instrumentalstück an, woraufhin auf der Tanzfläche ein regelrechter Tumult ausbrach. Anschließend spielten wir einen von den wenigen fröhlichen Hank-Williams-Songs, auf den man ebenfalls tanzen konnte, und zum Schluss noch einmal einen Patsy-Cline-Song, diesmal aber keinen so traurigen. Allerdings war das noch nicht das Ende. Als wir uns beim Publikum bedankten, sprang Jed auf die Bühne, schnappte sich das Mikrofon und fragte die Leute in herausforderndem Ton, ob sie noch etwas hören wollten. Wie sich herausstellte, wollte die Menge tatsächlich eine Zugabe. Da wir nichts Neues mehr auf Lager hatten, spielten wir einfach ein zweites Mal »Nashville Blues«, zogen es aber noch mehr in die Länge als beim ersten Mal. Ein paar von den Leuten auf der Tanzfläche unternahmen schließlich sogar einen recht eigenartigen Versuch, im Bluegrass-Stil zu tanzen. Als wir zum Ende kamen, brach donnernder Applaus los. Wir hatten eines der Geheimnisse des Lebens entdeckt, das darin bestand, die Leute glauben zu machen, man wäre besser, als man eigentlich ist.
    Während ich von der Bühne stieg, tauchte Danielle vor mir auf und riss mich in ihre Arme. Ihr Haar roch nach Rosen.
    »Du hast etwas ganz Wunderbares für mich getan«, sagte sie, »vielen Dank!«
    Ich sah sie an. Was hätte ich dafür gegeben, die Zeit zurückdrehen zu können. Wenn sie mich damals doch nur nicht gefragt hätte. Oder wenn ich Nein gesagt hätte. Dafür hätte ich alles gegeben. Alles.
    »Gern geschehen«, antwortete ich.
    Ich ging zur Bar. Nun, da die Anspannung nachließ, fühlte ich mich richtig zittrig und brauchte zur Beruhigung dringend einen weiteren Drink  – am liebsten Wodka oder Whisky, aber es gab nur Champagner. Das Zeug prickelte derart, dass ich es gar nicht so schnell trinken konnte, wie ich eigentlich wollte. Ich brauchte mehrere Schlucke, um das Glas zu leeren.
    »Das war sehr gut«, sagte plötzlich eine Stimme neben mir.
    Als ich mich umdrehte, sah ich ein Gesicht, das ich in diesem Rahmen nicht erwartet hatte und zunächst auch gar nicht zuordnen konnte. Dann dämmerte es mir. Es war Joy Wallis. Die Dame von der Kriminalpolizei.
    »Was machen Sie denn hier?«
    »Ich wollte mit Ihnen reden«, antwortete sie, »und dachte mir, dass es nett wäre, Sie mal bei der Arbeit zu beobachten. Das war wirklich gut.«
    »Danke.«
    »Was genau versteht man eigentlich unter Jambalaya?«, fragte sie.
    »Da bin ich mir selbst nicht so ganz sicher«, antwortete ich. »Laut unserem Song wohl irgendwas am Bayou.«
    »Ist es etwas zu essen? Oder ein Tanz?«
    »Ich dachte immer, es sei so eine Art Party. Ein Fest.«
    »So wie das hier?«
    »Entschuldigen Sie«, entgegnete ich, »aber Sie haben vorhin gesagt, sie
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