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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin
Autoren: Martina Kempff
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unachtsame Magd und gab Befehl, ein Becken mit warmem Wasser zu füllen und getrocknete Kamilleblüten hineinzugeben. Die Lappen, die mit den Füßen förmlich verwachsen zu sein schienen, sollten erst einmal aufgeweicht werden. »Und bring gleich eine dünne Fleischsuppe und einen Kanten Brot mit«, fügte die Herrin hinzu. Die Fremde mochte hungrig sein, sah aber keinesfalls so aus, als hätte sie viele Monate der Entbehrungen hinter sich. Nachdem nämlich die vor Schmutz starrenden Hüllen entfernt worden waren, hatte sich Frau Berta die junge Frau genau angesehen. Der Körper war nicht ausgemergelt, sondern schlank und wohlgeformt. Die Achselhaare zeugten ebenso von Gesundheit wie Haut und Fingernägel, und ihre kräftigen Zähne waren ebenfalls ein Zeichen dafür, daß die Fremde an gute Ernährung gewohnt war. Kratzer und Risse auf den Händen waren Spuren der allerjüngsten Vergangenheit. Es war unschwer zu erkennen, daß diese Hände keine harte Arbeit kannten.
    »Flora von Ungarn«, sprach sie mit der sanften Stimme, die ausschließlich Kindern, Kranken, Alten und den mit Mühsal Beladenen vorbehalten war. »Hast du einen Wunsch?«
    Auf der Klosterstifterin ruhte jetzt ein Blick, in dem sie nicht nur Dankbarkeit las, sondern noch etwas anderes. Neugier, Genugtuung, Wissen, dachte sie betroffen. Aber was für ein Wissen sollte das sein?
    »Ich danke dir, edle Frau, ein Bett wäre mir jetzt lieb«, vernahm sie wieder die heisere Stimme. »Meine Reisegesellschaft wurde vor Monaten überfallen. Ich habe als einzige überlebt, bin weit gewandert und müde. Morgen antworte ich dir gern auf alle Fragen.«
    »Vielleicht sollten wir erst noch den … den Reisestaub entfernen«, sagte Frau Berta in jenem Ton, der sonst nur für lügende Mönche bestimmt war. Diese Frau war keinesfalls monatelang unterwegs gewesen.
    »Es ist kein Reisestaub«, erwiderte die Fremde mit verblüffender Ehrlichkeit. »Ich habe mich selbst so zugerichtet, mich in verschlammten Flußbetten gewälzt, Gesicht und Haare mit Ruß und Erde verschmiert, um unbehelligt an mein Ziel zu kommen.«
    »Nach Prüm?«
    Die Frage, schärfer als beabsichtigt, wurde mit fast unverschämter Gelassenheit beantwortet:
    »Ich habe in meiner Heimat viel von deinen guten Werken gehört, edle Frau, und ich bin gekommen, um dir dabei zu helfen.«
    Nein, im Lande Ungarn wird keiner etwas von meinen guten Werken vernommen haben, dachte Frau Berta. Man mag mich da als Tochter Irminias, der Stifterin des Klosters von Echternach, und des Seneschalls Hugobert kennen. Vielleicht auch als Schwester der Plektrud, jener Frau, die mit dem Hausmeier, dem major domus Pippin II. verheiratet war und der man Herrschsucht nachsagt, nur weil sie für ihre Kinder sorgen wollte.
    Arme Schwester, die so heftig gegen den Sohn der Konkubine ihres Mannes gekämpft hat, gegen diesen Karl, dem einige jetzt den Beinamen ›Martell‹, der Hammer, gegeben haben. Arme Plektrud, die diesem Emporkömmling letztlich doch alle Macht überlassen mußte, arme Plektrud, die erfahren mußte, daß ich, ihre Schwester, diesem Mann auch noch geholfen habe, den Hammer niedersausen zu lassen! Aber was hätte ich damals bei Amel tun sollen? Den Neustriern mußte schließlich Einhalt geboten werden! Meiner Familie zuliebe habe ich mich vor Karls Dank verborgen – und deshalb nicht verhindern können, daß seine Männer das Gerücht ausstreuten, ein Engel hätte dem Hausmeier beigestanden. Das hat er schamlos ausgenutzt: Wenn Gott auf seiner Seite steht, kann er sich den Papst dienstbar machen. Schändlich, wie dieser sich vor ihm geduckt hat! Ach, was müssen es für Zeiten gewesen sein, als noch richtige Könige an der Macht waren und wirklich regierten! Leider habe ich sie nie erlebt. Wer hat schon gemerkt, daß Theuderich IV. vor vier Jahren gestorben ist? Wer hatte denn überhaupt mitbekommen, daß dieser König auf den Thron gehoben wurde – als willenloses Geschöpf seines Hausmeiers! Hoffentlich wird dieser elende Karl Martell bald zur Hölle fahren. Krank genug soll er ja sein, heißt es.
    Gut, vielleicht hat man in Ungarn sogar etwas von der Gründung unseres Klosters in Prüm gehört, aber es wird weder Kunde von meinen Werkstätten für Frauen noch von meinem Hospital bis dorthin gedrungen sein. Wer ist dieses Mädchen? Und warum lügt sie mich an?
    Wahrscheinlich wäre selbst diese robuste Edelfrau, die sonst nur wenig schrecken konnte, in Ohnmacht gefallen, hätte ihr die Fremde
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