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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin
Autoren: Martina Kempff
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resoluten Edelfrau zu widersetzen. Es war außerordentlich demütigend, daß er ihre Anordnungen widerspruchslos entgegennahm und auch noch befolgte! Immer wieder hatte er die Feder gespitzt, um sich bei der höchsten Stelle, nämlich beim Hausmeier, über die Einmischung dieser überaus weltlichen Edelfrau zu beschweren, hatte das Schreiben dann aber doch nicht abgefaßt. Frau Bertas Güter reichten von den kahlen Hängen des Eifelgaus bis an die üppig begrünten Moselberge. Eine Witwe mit so viel Grundbesitz verfügte über erheblich mehr Macht als der arme Abt eines eher unbedeutenden Klosters. Warum hatte sie nicht wie andere vornehme Witwen irgendwo ein Frauenkloster gegründet? Da hätte sie sich selbst als Äbtissin einsetzen und die Novizinnen tyrannisieren können! Vater Gregorius stieß einen tiefen Seufzer aus, als er die Tür zum kleinen Skriptorium öffnete. Bonifatius hatte recht. Es wurde höchste Zeit, daß sich die fränkische Kirche endlich der römischen anschloß! Schließlich hatten Frauen in einem römischen Männerkloster nichts zu suchen. Mulier taceat in ecclesia . Nicht zum ersten Mal bedauerte Vater Gregorius, daß der Arm des Papstes nicht weit genug reichte. Aber vielleicht würde sich das mit Hilfe des Bonifatius bald ändern. Der sah in der römischen Kirchenverfassung, in der Unterordnung aller einzelnen Kirchen, also auch der fränkischen, unter Bischöfe und der Bischöfe wiederum unter den Papst die einzige Rettung vor einer Verwilderung der Sitte und Lehre der Geistlichen und des Volkes. Bei seinem letzten Besuch hatte er Vater Gregorius gefragt, ob er sich zutraue, in Prüm alle Bischöfe Austriens für kurze Zeit zu beherbergen. Er erwäge nämlich, hier eine Kirchenversammlung abzuhalten, ein sogenanntes Konzil. Eine unerhörte Initiative, hatte Vater Gregorius damals gedacht. Aber als ihm kurz danach zu Ohren kam, daß einer seiner Mönche den Streit mit dem Ehemann einer Halbfreien wahrhaftig mit einem Schwert ausgetragen hatte, konnte er Bonifatius nur recht geben: Es wurde Zeit, der Kirche Zucht und Ordnung beizubringen. An das allnächtliche Treiben am Ufer der Prüm durfte er gar nicht denken. Und Frauen sollten wissen, wo sie hingehörten. In der Bibel war das klar und deutlich formuliert. Jetzt war es an der Zeit, allgemein verbindliche Gesetze zu schaffen.
    Frau Berta, die Klosterstifterin, war leicht brüskiert, daß sich der Abt wortlos verabschiedet hatte, doch sie vergaß die Verletzung der Etikette schnell. Ihre Gedanken kreisten um die fremde Frau. Aber selbst, wenn sie nicht anderweitig beschäftigt gewesen wäre, hätte sie sich nie vorstellen können, daß Vater Gregorius ihr gegenüber einen Groll hegte. Sie war es gewohnt, daß man auf ihr Wort hörte und es befolgte. Schließlich hatte sie dafür gesorgt, daß es Menschen und Mönchen in Prüm gut ging. Sie hatte die Rodung und Bestellung des Bodens überwacht, die Seifensiederei, die Kornmühle, die Netzmacherei, eine Weinkelterei und Bierbrauerei eingerichtet und die kleine Siedlung am Hang erbauen lassen. Nicht nur den Gebeten der Mönche war es zu verdanken, daß der Spelt, die Weizensorte, die in der Prümer Kalkmulde gedieh, schon im Mai so hoch stand, daß sich ein Hase darin verstecken konnte.
    Frau Bertas Blick streifte das Hospital der Abtei, in dem einige arme Männer mit körperlichen Gebrechen untergebracht waren. Bei der Gründung des Klosters hatte sie darauf bestanden, daß die Einkünfte aus ihrem Gut Wesselsdorf den Unterhalt dieser bedauernswerten Wesen begleichen sollten. Diese Männer nahmen den Mönchen mancherlei Arbeit ab: Sie säuberten das Klostergelände, entfernten menschliche und tierische Exkremente, flickten die Palisaden, läuteten die Glocken, pflegten die Kranken und hielten bei Bedarf auch Totenwache. Frau Berta erwartete keine Dankbarkeit für ihre wohltätigen Werke, fand es aber auch nicht zu viel verlangt, daß man ihr dabei keine Steine in den Weg legte.
    Jetzt ging sie neben dem Mönch und seiner Fuhre her und schüttelte den Kopf, als er vor dem Eingang zum Hospital anhielt und die Tür mit dem Fuß aufstoßen wollte.
    »Diese Lumpen bedecken eine edle Frau«, sagte sie knapp und wies mit einem Nicken zum Gästehaus der Vornehmen.
    Die edle Frau kam zu sich, als eine Magd gerade die letzte verkrustete Stofflage von ihrem Fuß zu reißen versuchte. Der Schrei drang sogar bis in die Kirche, wo sich die Mönche zum Abendgebet versammelt hatten. Frau Berta schalt ihre
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