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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin
Autoren: Martina Kempff
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wahrheitsgemäß Auskunft gegeben. Darüber dachte die junge Frau nach, als sie wenig später gesäubert, mit Ölen gesalbt, gesättigt und von den Fußlappen befreit in einem Bett lag. Aber sie konnte der Klosterstifterin unmöglich ihre wahre Herkunft verraten. Diese Schande mußte sie ihrer Familie ersparen. Es hatte ihr furchtbar auf der Zunge gebrannt, denn noch nie zuvor hatte sie ein Geheimnis für sich behalten können. Alle Kraft nahm sie zusammen, um sich nicht zu verraten.
    »Ich bin's, Bertrada von Laon, deine Enkelin, nach dir benannt, und ich suche Schutz in jenem Kloster, das du mit meinem Vater aus Dankbarkeit gegründet hast, als ich geboren wurde.« Sie sprach diese Worte jetzt laut aus. Niemand konnte sie hören, denn zum ersten Mal in ihrem Leben schlief sie allein in einem Zimmer. Noch bis vor zwei Wochen hatte sie sich mit Leutberga ein Bett geteilt. Ihr ganzes bisheriges Leben lang. Leutberga, die Tochter ihrer Amme, ihr so nah wie eine Schwester, näher noch, denn sie hatten beide als Milchschwestern an Mimas Brust gelegen. Leutberga, mit der sie die Rollen getauscht hatte und die mittlerweile schon längst in Saint Denis eingetroffen sein mußte. Oder nach Laon zurückgekehrt war. Wie würde man Bertradas Verschwinden erklären, was ihren Eltern sagen? Tränen rannen Bertrada die Wangen hinunter, als sie an ihre Eltern dachte. Wann hatte sie sie zuletzt gesehen? Vor fünf Wochen? Oder sechs? Waren nicht schon über hundert Jahre vergangen, seitdem sie mit Leutberga das Gespräch der Eltern belauscht hatte? Es schien einer gänzlich anderen Zeit anzugehören, einem gänzlich anderen Leben.
    Leutberga hatte damals herausgefunden, daß Graf Fulco, der Abgesandte des Hausmeiers Karl Martell, als Brautwerber für dessen jüngeren Sohn Pippin ins Schloß gekommen war. Bisher hatte der Graf von Laon jeden abgewiesen, der um die Hand seiner Tochter Bertrada angehalten hatte, auch Bewerber aus sehr edlen Familien Austriens, Neustriens, Burgunds, Patrimoniums und Aquitaniens. Würde Charibert von Laon auch dem mächtigsten Mann der Welt eine Absage erteilen? Dem Mann, der zwar lediglich der Sohn einer Nebenfrau Pippins war, der es aber immerhin geschafft hatte, sämtliche legitimen Nachfahren auszuschalten, zum Hausmeier aufzusteigen und zum eigentlichen Herrn des gesamten Frankenreiches zu werden?
    »Er ist kein König«, hörten Bertrada und Leutberga an jenem Abend den Grafen zu seiner Frau sagen, »aber er hat Könige ernannt und abgesetzt, er hat Friesland und Südburgund erobert, und er wird nicht locker lassen, bis er auch Aquitanien und Bayern unterworfen hat. Er hat die Araber vertrieben, unser Abendland gerettet und eine taktisch kluge Politik mit den Langobarden in die Wege geleitet.«
    Der Blick des Grafen blieb an der Truhe neben der Tür hängen. Kam von dort nicht ein leises Rascheln wie von Seide? Ein belustigtes Lächeln spielte um seine Mundwinkel, aber er sprach unbeirrt weiter: »Doch wie groß Karl Martells Macht wirklich ist, zeigte sich, als er es ablehnte, für den Papst gegen die Langobarden zu kämpfen, obwohl ihm Gregor die Schlüssel zum Petrusgrab und ein Glied der Kette Petri gesandt hat. Karl beließ es bei einem freundlichen Dankeschön.«
    Hört doch auf mit eurer Politik! dachte Bertrada gelangweilt. Was interessieren mich denn der Papst, die Langobarden, die Araber und Aquitanien! Sprecht doch jetzt endlich über etwas wirklich Wichtiges, über den Sohn dieses Karl Martells, den ich vielleicht heiraten soll! Ist er schön? Klug? Wird er zulassen, daß ich mit auf die Jagd gehen darf?
    »Hätte Karl Martell Rom beigestanden, dann hätte ihn der Papst wenigstens als Schutzherrn des Patrimoniums Petri anerkannt«, bemerkte Gräfin Gisela. »Ich weiß nicht, ob die Weigerung wirklich so klug war.«
    »Die Ablehnung war klug formuliert«, gab der Graf zurück. »Er versicherte dem Papst, die römische Kirche stets zu schützen, aber ihretwegen werde er keinen Krieg führen, bei dem er zur Übertretung des fünften Gebotes gezwungen sei. Recht hat er, was geht uns auch der Streit zwischen Römern und Langobarden an?«
    Richtig! jubelte Bertrada innerlich. Kommt endlich zur Sache! Sie verzog das Gesicht und kniff Leutberga in den Unterarm, als ihr Vater fortfuhr: »Es ist bereits das zweite Mal, daß sich Karl Martell gegen die Wünsche des Papstes stellt, denn auch die Besetzung der fränkischen Bischofssitze behält er sich immer noch vor. Dabei würde Rom so gern selbst
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