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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin
Autoren: Martina Kempff
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jetzt will er noch seinen jüngsten Sohn mit einer standesgemäßen Braut versehen.«
    Bertrada stand auf und blickte an sich herab.
    »Ihr sagt immer, daß ich für eine Frau sehr hochgewachsen bin«, erklärte sie. »Ich habe gehört, daß Pippin manchmal auch ›Pippin der Kurze‹ genannt wird. Ich möchte keinen Mann, zu dem ich nicht aufsehen kann.«
    »Als Kind war er natürlich kurz im Vergleich zu seinem älteren Bruder Karlmann«, erzählte Charibert, »und dieser machte sich ein Vergnügen daraus, ihn in den gemeinsamen Kinderjahren so zu nennen. Der Beiname haftete Pippin auch am Langobardenhof an, wo man darüber Spottlieder sang. Bis zu jenem Tag, an dem er eine wahre Heldentat vollbrachte.«
    Der Graf schwieg und sah Frau und Tochter belustigt an. »Jetzt wollt ihr natürlich wissen, welche, aber ich warne euch, es geht um viel Blut.«
    »Hat er eine Räuberbande getötet?« fragte Bertrada atemlos. Ihr lief ein Schauer über den Rücken. Sie hatte noch nie einen Räuber gesehen, aber aufgrund von Erzählungen in ihrer ganzen Jugend in Angst vor diesen finsteren Gesellen gelebt und sich bei jedem Ausritt in den Wald gefragt, ob sie das Opfer eines Überfalls werden würde. Wenn dieser Mann eine solche Bande ausgelöscht haben sollte, würde sie auf alle Zeiten zu ihm aufschauen können, ganz gleich, wie es um seine Statur bestellt war.
    »Viel, viel schöner …« Der Graf verstummte.
    »Vater …!« Bertrada trat auf ihn zu und setzte sich auf seinen Schoß, wie sie es als kleines Mädchen getan hatte. Sie schlang die Arme um seinen Hals und flüsterte ihm ins Ohr: »Erzähl!«
    Er drückte seine Tochter kurz an sich und forderte sie dann auf, sich zu ihrer Mutter zu setzen.
    Er sprach nicht sofort, weil ihn plötzlich ganz andere Gedanken überwältigten:
    Wie schnell sie erwachsen geworden ist, wie furchtbar, wie grausam. Da habe ich jahrelang vergeblich um ein Kind gebetet, sogar erwägen müssen, Gisela zu verstoßen, um mir eine fruchtbare Friedelfrau zu nehmen, und bin darüber immer mehr gealtert. Und als wir schließlich aufhörten, an Wunder zu glauben, kam Bertrada unerwartet zu uns. Und nun ist sie unmerklich zu einer Frau herangewachsen, die ich nun weggeben muß. Die einem anderen und dessen Sippe gehören wird, um diese der Nachwelt zu erhalten. Sie wird eine von uns werden.
    Mit einigem Unbehagen schob der Graf diese letzte Erinnerung von sich.
    »Vater?« fragte Bertrada unsicher, als er immer noch schwieg.
    »Ist es die Hitze, Charibert?« erkundigte sich seine Frau besorgt. Sie stand auf und trat an den Holztisch, der unter der schmalen Maueröffnung stand. Vorsichtig tauchte sie die Spitze ihres lang herabfallenden Ärmels in die silberne Schale, in der ein paar Kräuter im Wasser schwammen.
    »Was habt ihr denn?« fragte Charibert betont munter, während seine Frau ihm mit dem feuchten Stoff zärtlich die Stirn netzte. »Ich wollte doch nur die Spannung steigern. Pippins Heldentat. Also hört gut zu: Bei einer Tierhatz am Langobardenhof hat sich ein Löwe in den Nacken eines Stieres verbissen und kommt nicht mehr los. In respektvollem Abstand umringen die Jäger die Tiere, gefesselt von dem Anblick, der sich ihnen bietet, aber zu mutlos, um einzugreifen. Da tritt Pippin vor. Er zieht sein Schwert und trennt mit einem einzigen Streich sowohl den Kopf des Löwen als auch den des Stieres vom Rumpf. Danach ruft er: ›Das, meine Edlen, nennt Pippin der Kurze einen kurzen Prozeß!‹ Na, was sagt ihr dazu?«
    Die beiden Frauen schwiegen enttäuscht. Sie hatten mehr erwartet. Eine Geschichte, in der es um Menschen ging, um Räuber, um Sarazenen, um die Rettung von Reisenden vor feuerspeienden Drachen oder anderen Ungeheuern. Heldentaten, bei denen blutrünstige Dämonen vertrieben oder Bundesgenossen aus einem finsteren Verlies befreit wurden, kurz bevor sich ebenfalls eingekerkerte hungrige Bären auf sie stürzten, hätten auch mehr hergegeben.
    »Seitdem«, fuhr der Graf unbekümmert fort, »trägt er diesen Titel als Ehrennamen. Im übrigen ist er, Bertrada, wie alle seines Geschlechts, eher hochgewachsen zu nennen. Vermutlich werdet ihr also Riesenkinder zur Welt bringen. Willst du ihn nun heiraten?«
    »Wird er denn Zeit für mich haben oder dauernd umherreisen? Als künftiger Hausmeier ist er doch bestimmt sehr beschäftigt!«
    Eigentlich wünschte sie sich einen Mann wie ihren Vater, der fast immer zu Hause war und die meiste Arbeit anderen überließ.
    »Vielleicht freut er
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