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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin
Autoren: Martina Kempff
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darüber entscheiden wollen, wer nun wo Bischof wird!«
    »Ich erinnere mich.« Die Gräfin nickte. »Behauptete Papst Gregor nicht, die fränkischen Bischöfe könnten besser reiten und jagen als die Messe lesen?«
    »Sie kommen schließlich aus den besten Adelsfamilien!« bestätigte der Graf lachend. »Doch was antwortete Karl? Darin stünden sie den päpstlichen in nichts nach. Es sei nicht seine Schuld, daß deren Jagdreviere immer häufiger in das Hoheitsgebiet der Langobarden gefallen seien. Mangele es aber der päpstlichen Tafel an einem feinen Stück Auerochs, würden es sich die fränkischen Bischöfe zur Ehre anrechnen, diesen zu liefern. So ein Kerl ist dieser Karl. Wenn Bertrada keine Einwände hat, wird sie den Sohn dieses Mannes heiraten.« Er beugte sich auf seinem Stuhl vor, tat, als wollte er die Seidenbänder an seinen Unterschenkeln zurechtziehen, und nickte vergnügt, als er von dort die edelsteinbesetzte Spitze eines hellen Lederschuhs hinter der Truhe hervorlugen sah.
    Die Gräfin brachte einen letzten Einwand vor: »Du willst unsere Tochter einem Mann verbinden, der von einer Friedelfrau abstammt? Kannst du das denn deiner Mutter antun? Immerhin ist sie die Schwester der rechtmäßigen Gemahlin seines Vaters!«
    »Vergiß nicht, daß sie auch die Frau war, die Karl Martell in der Schlacht bei Amel mit einem unbezahlbaren Rat zum entscheidenden Sieg über die Neustrier verholfen hat …«
    »Das ist ein Gerücht«, unterbrach die Gräfin. »Karls Krieger behaupten, ein Engel habe ihm verraten, wo sich die Feinde gesammelt hatten, und ihm empfohlen, seine Krieger, mit Zweigen und Ästen bedeckt, langsam heranrücken zu lassen. Darum heißt der Hügel jetzt doch Engelsberg! Keiner hat deine Mutter mit Karl gesehen. Und wenn sie ihm doch geholfen haben sollte, dann bestimmt mit knirschenden Zähnen. Wir sollten sie auf jeden Fall um ihre Einwilligung zu dieser Heirat bitten.«
    »Meine Mutter weilt in Prüm und tut ihr gutes Werk«, gab der Graf mit Bitterkeit zurück. »Am Geschick ihrer Familie ist ihr wenig gelegen. Sonst hätte sie uns in den vergangenen zehn Jahren ja vielleicht einmal aufgesucht und nicht nur so selten Briefe geschickt. Meine Mutter Bertrada ist eine harte, unversöhnliche Frau, ganz anders als ihre Enkelin, unsere fröhliche Bertrada.«
    »Sollte unsere Tochter nicht Ehefrau und Mutter von Königen werden und die Welt verändern?« murmelte Gisela von Laon versonnen.
    Der Graf lachte. »Ich hätte dir das nie erzählen dürfen, meine Liebe. Aber daran siehst du, daß sich auch Hexen irren können.«
    Bertrada wußte, worauf ihr Vater anspielte. Sie hörte sich gern die Geschichte jener Vollmondnacht kurz nach ihrer Geburt an. Graf Charibert hatte auf dem Weg nach Prüm zur Klosterstiftung an einem Flußufer haltgemacht. Kaum hatte er sich zum Schlafen hingelegt, als plötzlich eine sehr alte gebeugte Frau mit langem weißem Haar erschien und sich mühsam am erloschenen Lagerfeuer niederließ, ohne um Erlaubnis zu bitten. Sie bedeutete dem Grafen näherzurücken und malte mit einem langen Stock seltsame Zeichen in die Asche. »Deine Tochter wird leben. Sie wird Gemahlin und Mutter von Königen sein und die Welt verändern«, krächzte sie.
    Der Graf hatte seiner Frau und seiner Tochter erzählt, daß die Alte dann so plötzlich wieder zwischen den Bäumen verschwunden sei, daß er glaubte, ihr Erscheinen nur geträumt zu haben – wären da nicht die Zeichen in der Asche gewesen. Verschwiegen hatte er beiden allerdings den letzten bedrohlich klingenden Satz der Hexe: »Aber sie wird eine von uns werden.«
    Er hatte versucht, diese Bemerkung aus seinem Gedächtnis zu tilgen – jedoch vergeblich. Sie verfolgte ihn immerzu. Er betete, fastete und beschwor Gott sowie alle Heiligen, seine Tochter vor heidnischem Tun zu bewahren, sie vor dem Satan und seinen Hexen zu schützen. Und er war zutiefst erleichtert und dankbar gewesen, als in den folgenden Jahren nichts darauf hinwies, daß eine andere Welt als die christliche über Bertrada Macht ausübte. Ihr Gemüt war fröhlich und unbekümmert, sie betete inbrünstig zum Gott der Christenheit, zeigte keine Neigung, sich an der Wahrsagerei zu versuchen oder in der Dunkelheit herumzustreichen. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, daß sie, von Dämonen begleitet, auf einem scheußlichen Tier durch den nächtlichen Himmel ritt. Sie plauderte jedes Geheimnis aus und interessierte sich mehr für Pferde als für Kräuter. Sie
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