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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin
Autoren: Martina Kempff
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Käse. »Für Bertrada könnten Räuber tatsächlich ein ansehnliches Lösegeld fordern«, sagte sie langsam, »Leutberga hingegen ist nichts wert …«
    »Und da sie sich auch ziemlich ähnlich sehen …« spann der Abgesandte den Gedanken weiter.
    »… und wenn wir die Kleider tauschen, ich auf meinem Pferd sitze und Leutberga in der Sänfte …«, setzte Bertrada aufgeregt hinzu.
    »… würde niemand merken, daß die falsche Braut getragen wird«, schloß Mima triumphierend.
    »Dann bringen die Räuber aber doch mich um!« klagte Leutberga.
    »Nein, auch um dich kann verhandelt werden«, erklärte der Abgesandte. »Karl Martell wird dich für dein Opfer so reich entschädigen, daß du dich vor Freiern nicht mehr retten kannst.«
    »Und du wirst getragen«, lockte Bertrada. »Darum hast du mich doch beneidet.«
    »Aber was werden die Räuber mit mir machen!« jammerte Leutberga.
    »Es ist ja gar nicht gesagt, daß wir welchen begegnen«, meinte der Abgesandte, der inzwischen so nahe an Mima herangerückt war, daß seine Knie gegen ihre Beine drückten.
    Bertrada sah voll Verlangen auf Leutbergas dünnes Leinenkleid. Niemand verlangte von ihr, einen langen faltenreichen Mantel darüberzuziehen oder bei dieser Hitze Strümpfe zu tragen. Dem unverlobten Mädchen genügte ein schlichtes Band im Haar, sie brauchte keinen Schleier und keine Kopfbedeckung wie eine Frau, die einem Mann anverlobt war.
    Leutberga rieb sich die Stelle, die ihr nach dem langen Ritt am meisten schmerzte.
    »Und ihr alle werdet mich wie die Tochter des Grafen von Laon behandeln?« fragte sie.
    »Du wirst die Tochter des Grafen von Laon sein«, bestätigte der Abgesandte. »Bis wir wieder aus dem Wald heraus sind.«
    Ohne weitere Absprache standen Bertrada und Leutberga gleichzeitig auf und verschwanden gemeinsam im Gebüsch. Graf Fulco nutzte die Gelegenheit, die Festigkeit von Mimas Brüsten zu überprüfen. Spielerisch schlug sie ihm auf die Finger. »Nicht jetzt«, flüsterte sie, erwiderte jedoch seinen begehrlichen Blick.
    Wenig später wurde die Reise fortgesetzt. Niemandem fiel auf, daß die Mädchen die Rollen vertauscht hatten. Das mochte auch daran liegen, daß Bertrada auf das Haarband verzichtet hatte und ihre langen dunkelblonden Haare ein wenig ins Gesicht fallen ließ. Leutberga hatte ihre eigenen Schuhe anbehalten, da die Füße in der Sänfte ohnehin nicht zu sehen waren. Bertrada ging davon aus, daß sich niemand gemerkt hatte, welche Fußbekleidung die Tochter der Amme getragen hatte. Der Größenunterschied zwischen den beiden war hoch zu Roß nicht merkbar.
    Anfangs genoß es Leutberga noch, Bertrada herumzukommandieren. Sie forderte sie auf, ihr bestimmte Beeren zu pflücken, derer sie am Wegesrand gewahr wurde, verlangte von ihr, ein Tuch in einem Wasserlauf anzufeuchten oder ihr einen Becher Wein zu besorgen. Doch Mima setzte diesem Treiben bald ein Ende. Sie riet Bertrada, sich an den Schluß des Zugs zu setzen und sich von der Sänfte fernzuhalten. Bertrada folgte diesem Rat nur zu gern. Sie brannte darauf, ihr neues Pferd wirklich kennenzulernen, und das war im Schrittempo einfach nicht möglich. In einem unbeobachteten Moment ließ sie sich weit zurückfallen. Sie wollte an den Bach zurückkehren, wo sie Leutbergas Tuch befeuchtet hatte, sich dort kurz abkühlen und dann im Galopp wieder zu ihrer Reisegesellschaft aufschließen. Angst vor Räubern oder Tieren hatte sie nicht mehr. Bisher waren sie keiner Schreckensgestalt begegnet, und Gesindel scheute bekanntlich den hellichten Tag.
    Am Bach band sie das Pferd neben einem Holunderbusch an einen Baum, legte ihre Kleidung auf einen kleinen Felsblock und kletterte vorsichtig über Steine die Böschung hinunter. Sie mußte sich ein kleines Stück am Ufer entlangtasten, ehe sie eine geeignete Stelle zum Einstieg fand. Das Wasser reichte ihr bis über die Knie. Ein Freudenjauchzer entfuhr ihr, als ihre Haut das eiskalte Element spürte. Sie schloß die Augen, holte tief Luft und tauchte ganz ein.
    Der Reiter, den ein lauter Ruf an den Bach gelockt hatte, hielt die fächerförmig ausgebreiteten Haare auf der Wasseroberfläche zunächst für ein seltsames Gewächs. Erst auf den zweiten Blick erkannte er, was sich darunter verbarg. Er stieg ab, hockte sich hin und wartete, bis das Geschöpf wieder auftauchte. Etwas weiter entfernt sah er auf einem Felsen ein Bündel Kleider liegen. Bertradas Pferd wäre hinter dem Holunderstrauch ohnehin seinen Blicken entzogen
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