Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Königliche (German Edition)

Die Königliche (German Edition)

Titel: Die Königliche (German Edition)
Autoren: Kristin Cashore
Vom Netzwerk:
symbolisierte ein bestimmtes Familienmitglied, und dies war der Ring, den Ashen für Bitterblue getragen hatte. Bitterblue besaß das Original. Sie bewahrte ihn zusammen mit allen anderen Ringen ihrer Mutter in Ashens hölzerner Truhe im Schlafzimmer auf.
    Es ging ihr eigenartig nahe, diesen Ring um ihr Handgelenk zu binden. Ihre Mutter hatte ihn ihr oft gezeigt und ihr erklärt, dass sie die Steine ausgesucht hatte, weil sie dieselbe Farbe hatten wie Bitterblues Augen. Bitterblue drückte ihr Handgelenk an sich und überlegte, was ihre Mutter wohl von ihrem Vorhaben gehalten hätte.
    Sie hätte es für gut befunden. Mama und ich haben uns schließlich auch aus dem Schloss geschlichen. Wenn auch nicht auf diesem Weg, sondern durchs Fenster. Und mit gutem Grund. Sie hat versucht, mich vor ihm zu retten.
    Und sie hat mich auch gerettet. Sie hat mich vorausgeschickt und ist selbst zurückgeblieben, um zu sterben.
    Mama, ich bin nicht sicher, warum ich dies tue. Irgendetwas fehlt, spürst du das? Papierstapel auf dem Schreibtisch in meinem Turm, tagein, tagaus. Das kann doch nicht alles sein. Das verstehst du doch, oder?
    Sich herauszuschleichen war eine Art Betrug. Genau wie sich zu verkleiden. Kurz nach Mitternacht schlich sich die Königin, in eine dunkle Hose und Fox’ Kapuzenumhang gehüllt, aus ihren Räumen und betrat eine Welt voller Geschichten und Lügen.

Sie hatte die Brücken noch nie aus der Nähe gesehen. Trotz ihrer jährlichen Inspektionstouren war Bitterblue nie in den Straßen der Oststadt gewesen; sie kannte die Brücken nur von der Höhe ihres Turms aus, von wo sie durch den Himmel zu ihnen hinausblickte und sich noch nicht einmal sicher war, ob sie wirklich existierten. Als Bitterblue jetzt am Fuß der Winged Bridge stand, fuhr sie mit den Fingern über eine Fuge, wo zwei Stücke kalten Marmors zusammenstießen und das gewaltige Fundament bildeten.
    Und sie erregte gleich Aufmerksamkeit. »Hau ab«, fuhr ein Mann sie schroff an, der in die Tür eines der schmutzig weißen Steinhäuser getreten war, die sich unter den Pfeilern der Brücke drängten. Er leerte einen Eimer in die Gosse aus. »Wir können hier keine Spinner gebrauchen.«
    Das war ein ziemlich hartes Urteil über jemanden, dessen einziges Verbrechen es war, eine Brücke zu berühren, aber Bitterblue ging gehorsam weiter, um eine Auseinandersetzung zu vermeiden. Um diese Zeit waren schrecklich viele Leute in den Straßen unterwegs und jeder Einzelne von ihnen machte ihr Angst. Bitterblue ging ihnen so gut es ging aus dem Weg, zog sich die Kapuze tief ins Gesicht und war froh, so klein zu sein.
    Hohe schmale Gebäude lehnten aneinander und stützten sich gegenseitig, dazwischen gaben sie gelegentlich den Blick auf den Fluss frei. An jeder Kreuzung zweigten Straßen in verschiedene Richtungen ab und boten immer neue Möglichkeiten. Bitterblue beschloss, erst einmal in Sichtweite des Flusses zu bleiben, weil sie fürchtete, sich sonst vielleicht zu verirren und den Überblick zu verlieren. Aber es war schwierig, nicht in eine dieser Straßen abzubiegen, die sich in die Dunkelheit schlängelten und Geheimnisse versprachen.
    Der Fluss führte sie zum nächsten Riesen auf ihrer Liste, zur Monster Bridge. Bitterblue nahm jetzt immer mehr Einzelheiten wahr, wagte sogar, den Leuten kurz ins Gesicht zu blicken. Manche wirkten lauernd und gehetzt oder erschöpft und voller Schmerz, andere leer und ausdruckslos. An den Häusern, die alle aus gelbem Licht in die Schatten emporragten – viele davon aus weißem Stein, manche mit Schindeln verkleidet –, fiel ihr auf, wie verfallen und heruntergekommen sie waren.
    Es war ein Versehen, das Bitterblue in das seltsame Erzähllokal unter der Monster Bridge führte, obwohl auch Leck etwas damit zu tun hatte. Um zwei großen, hinter ihr hermarschierenden Männern auszuweichen, bog sie seitlich in eine Gasse ab, um dann festzustellen, dass sie in der Falle saß, weil die Männer ebenfalls in die Gasse einbogen. Sie hätte sich natürlich einfach an ihnen vorbei wieder nach draußen drängen können, aber nicht ohne Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, deshalb trippelte sie weiter und gab vor zu wissen, wo sie hinging. Unglücklicherweise endete die Gasse unvermittelt an einer Tür in einer Steinmauer, die von einem Mann und einer Frau bewacht wurde.
    »Nun?«, fragte der Mann, als sie verwirrt vor ihnen stand. »Wo soll’s denn hingehen? Rein oder raus?«
    »Ich gehe schon«, flüsterte Bitterblue.
    »Also
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher