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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Rainer Siegel
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alte Zacharias hier in Budweis als seinen Lehrling und späteren Gehilfen aufgenommen. Da ich getauft bin, stehen mir Türen offen, die ihm als Juden versperrt sind, und gemeinsam sind wir die Stütze der Budweiser Kaufmannschaft. Und der muss und werde ich jetzt wieder dienen. Sei also verabschiedet, holde Maid!« Bei den letzten Worten hob er die Holzhand zum Gruß und spazierte davon, um Hermann bei seinen Aufzeichnungen zu unterstützen.
    *
    Nach und nach hatte Franziska schließlich die gesamte Lebensgeschichte der drei Geschwister erfahren, und eines Tages hatte die Liebelei zwischen ihr und Ludwig ganz unschuldig begonnen.
    Als Tochter einer Schneiderin hatte sie immer Wert auf ihr Äußeres gelegt, doch seit sie Ludwig erstmals gesehen hatte, verließ sie Neles Hof nur noch aufs Feinste herausgeputzt, stets in der Hoffnung, ihm zu begegnen. Sie war etwas größer als ihre Mutter, nicht ganz so dünn, und ihre mädchenhafte Anmut war ihr auch nach Erhalt ihrer fraulichen Rundungen erhalten geblieben. Ihre Mutter beobachtete sie nachdenklich, wenn sie vor dem Ausgang nochmals ihr Mieder schnürte und sich vor dem Spiegel drehte, doch hatte sie bisher noch kein Wort über den auffälligen Putz der Tochter verloren. Franziska war stolz auf ihr glänzendes braunes Haar, das sie sorgfältig pflegte und gern zu fröhlichen Frisuren flocht, die die Form ihres Gesichts mit den hohen Wangenknochen unter den bernsteinfarbenen Augen betonten. Schon in den letzten Jahren waren Nele hie und da die Blicke der Männer aufgefallen, die jetzt, da Franziska mit fünfzehn längst heiratsfähig war, umso unverhohlener ihr Interesse zeigten. Die eine oder andere Bürgersfrau hatte auch bereits Andeutungen gemacht, dass es wohl langsam an der Zeit sei, einen Gatten für sie zu erwählen.
    Franziska selbst schien keine Notiz von ihren Bewunderern zu nehmen, es sei denn, Ludwig sah sie mit leuchtenden Augen an. Seit ihrer ersten Begegnung auf Restwangen hatten sie sich in der Kirche, die auch der Restwangen'sche Haushalt besuchte, oder wann immer sie sich zufällig über den Weg liefen, heimlich Blicke zugeworfen, was dem raffinierten Karl natürlich nicht lange verborgen blieb. Nachdem er sich eine Zeitlang darüber amüsiert hatte, konnte er den liebeskranken Bruder und die offensichtlich ebenso schmachtende Franziska nicht mehr länger leiden sehen und bot sich als diskreter und verschwiegener Amor an, der heimlich Briefchen schmuggelte oder die eine oder andere Botschaft überbrachte. Anfangs hatte er die Briefe noch gelesen, doch dann hatte er sie nicht mehr geöffnet, da zum einen ohnehin immer das Gleiche darin stand, er zum anderen aber auch erkannte, dass er kein Recht hatte, sich in die Geheimnisse der beiden einzuschleichen. Stattdessen hatte er die wenigen bisherigen Treffen der beiden arrangiert, kleine harmlose Spaziergänge nach der Sonntagsmesse, von denen jedoch niemand aus den Haushalten der Turteltauben erfahren sollte. Natürlich war Nele längst nicht so unwissend, wie sie vorgab, doch gewährte sie ihrer Tochter stillschweigend diese kleine Freiheit.
    *
    Seit dem Tod von Franziskas Vater hatte Nele die Schneiderei allein geführt. Ihr Nachbar, der Rosshändler Hermann, hatte sich bei der Zunft für sie verwandt und gebürgt, und schließlich hatte man der Führung eines Witwenbetriebs auf unbestimmte Zeit zugestimmt und auf die sonst übliche Auflage verzichtet, binnen dreier Jahre einen Schneidermeister zu heiraten oder das Geschäft an einen anderen Schneider zu übergeben. Viele wohlhabende Bürger ließen ihre Kleider ausschließlich bei Nele fertigen, die mit ihrer kleinen Schar von Näherinnen im Lauf der Jahre die erste Schneiderin am Platz geworden war. Seit Franziska ebenfalls in der Werkstatt arbeitete, war es mit dem Betrieb noch weiteraufwärts gegangen, da die Tochter mit vielen neuen Ideen die Arbeiten ihrer erfahrenen Mutter auffrischte und ein besonderes Talent fürs Entwerfen und Fertigen eleganter Gewänder hatte. Franziska war praktisch in der Schneiderei aufgewachsen und handwerklich längst ebenso geschickt wie ihre Mutter. Sie hatte als einziges Mädchen der Stadt die Bürgerschule besucht, bis sie elf war, und anschließend bei Nele das Schneiderhandwerk erlernt. Es wäre ihr nie ein anderer Beruf in den Sinn gekommen. Sie liebte ihre Kunst über alles, oder beinahe über alles, gestand sie sich ein, wenn Ludwig sich wieder einmal in ihre Gedanken schlich.
    Hermann, der Rosshändler und
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