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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Rainer Siegel
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Stoffresten liegen blieb. »Ich kann diese Treter nicht mehr sehen!«, brummte sie und überprüfte ein letztes Mal die Länge des Umhangs, den sie für Nele nähte. Die Näherinnen beugten sich tiefer über ihre Arbeit und warfen einander ein verstohlenes Lächeln zu. In den letzten Jahren war aus der kleinen Tochter der Meisterin eine temperamentvolle junge Frau geworden, die sich mit der gleichen Hingabe wie ihre Mutter dem Schneiderhandwerk widmete.
    »Was stört dich denn daran? Die Schuhe sind doch fast neu«, fragte Nele ihre Tochter und drehte sich ein wenig in dem halb fertigen Kleidungsstück.
    »Neu sind sie, das stimmt, aber sie taugen doch nur dazu, im Winter nicht im Schnee einzusinken. Willst du solche Ungetüme wirklich zu den feinen Sachen tragen?«
    Nele hob den Schuh auf und besah ihn genauer. Franziska hatte schon Recht, besonders reizvoll wirkten die in dieser Gegend üblichen Schuhe wahrhaft nicht. Männer wie Frauen liefen, sofern sie überhaupt richtiges Schuhwerk besaßen, in linksherum genähten Füßlingen aus Leder herum, die eher wie übergroße Socken wirkten. Manche der wohlhabenden Männer trugen bisweilen auch mit langen Riemen umwickelte Schaftstiefel, die aber von gleicher Machart waren. Im Sommer liefen die Armen barfuß oder in einfachen Holzschuhen, und die weniger Armen trugen die gleicheSchuhmode wie im Winter. Bestenfalls waren die Sommerschuhe aus leichterem Leder gefertigt. Da die Kleider zumeist bodenlang waren, waren die Frauenschuhe ohnedies kaum zu sehen.
    »Was stellst du dir denn vor?«, fragte Nele schließlich.
    »Erinnere dich an den Besuch des Königs und der Königin in Budweis. Hast du die Schuhe der Königin gesehen?«
    »Ehrlich gesagt, nein. Ich habe nur das schöne Kleid bestaunt.«
    Nun blickten auch die Näherinnen von ihrer Arbeit auf. Die Gespräche zwischen der Meisterin und ihrer Tochter waren so spannend und boten schönen Gesprächsstoff, wenn die beiden Herrinnen einmal nicht anwesend waren, besonders da Franziska sich in letzter Zeit gegenüber ihrer Mutter mehr und mehr durchzusetzen begann.
    »Also, das waren mehr so … so eine Art Sandalen. Ähnlich wie die der Mönche, nur ungleich feiner und schöner. Sie hatten eine schmale Sohle und gekreuzte Lederbänder. Um den Knöchel waren sie mit Riemen zu binden. Solche Schuhe bräuchten wir!«
    »Dann gehen wir am besten zur Königin und bitten sie um ein Paar.« Eine der Näherinnen lachte und fing sich einen strengen Blick der Meisterin ein.
    »Aber so Unrecht hast du nicht«, lenkte Nele nun ein. »Lass uns die Augen offen halten und sehen, ob man nicht anderenorts schöneres Schuhwerk trägt als hier. Bis zur Hochzeit wird es uns aber kaum gelingen, welches anzuschaffen. Und wenn wir weiter so trödeln und unsere Zeit mit Tratschen vergeuden, werden wir auch ohne neue Kleider feiern müssen. Machen wir also besser mit unserer Arbeit weiter. Ich muss ohnehin gleich fort, um mit Hermann dieBestellungen für das Fest zu bereden. Zacharias' Gehilfe will gleich kommen, um mit uns die Kosten durchzurechnen. Falls er zuvor hier auftauchen sollte, schicke ihn zu Hermann und halte ihn nicht zu lange auf. Hermann macht sich mal wieder Sorgen wegen des Geldes«, fügte sie mit einem kleinen Lächeln hinzu.
    *
    »Na, mein Herzblatt, arbeitest du wieder an deiner Aussteuer? Also ich schlafe am liebsten in Damaszener Leinen, wenn du das bitte berücksichtigen würdest. Und vergiss unsere Kinder nicht: Ordentliche weiße Hemdchen in verschiedenen Größen, und nicht zu wenige davon. Du weißt ja, wenn du mich erst unter der Haube hast, dann kenne ich kein Halten mehr!« Karl grinste sie frech an und Franziska lachte zurück. Der junge Gehilfe des Geldverleihers war zwar ein vorlauter Bursche, aber ein fescher Kerl war in letzter Zeit aus ihm geworden, stellte sie einmal mehr fest, als sie ihn nun von der Seite betrachtete. Karl war gertenschlank, sehnig und beweglich, und seine dunkle Haut, das scharf geschnittene Profil und die schwarzen Augen verliehen ihm etwas Fremdländisches und Mystisches. Wie meist war er schwarz gekleidet und hatte seine Mütze keck nach hinten geschoben. Sie wusste, dass die meisten Mädchen heimlich in ihn verliebt waren, oft genug hörte sie sie tuscheln, wenn er in der Nähe war. Sie selbst war ebenfalls verliebt und zwar bis über beide Ohren – allerdings nicht in ihn.
    Vor etwa einem Jahr war es gewesen, als sie mit ihrer Mutter beim Lehnsherrn auf der Burg gewesen war, da
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