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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau
Autoren: Oliver Susami
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sie nicht den Eindruck, ganz ruhig saß sie vor dem Fernseher. Okay, das war schon einmal gut. Aber was nun? Wo verdammt ging es in den Keller? Lukas machte einen Schritt zurück in den Flur und sah sich um, es gab noch zwei weitere Türen. Er öffnete vorsichtig die Tür, die dem Wohnzimmer gegenüber lag, und dahinter war eine kleine Toilette. Das Waschbecken lag zerschmettert auf dem Boden und es stank bestialisch, schnell zog Lukas die Tür ins Schloss.
    Die andere Tür, ganz am Ende des Flurs, führte zu … nun, das hatte Lukas nicht erwartet. Er dachte, dies wäre nur eine Vorratskammer oder ein Schrank. Aber hinter der schmalen, weiß gestrichenen Tür waren weitere drei Meter Flur und am Ende dieser drei Meter war eine Klappe im Boden. Durch ein winziges, verdrecktes Fenster fiel gerade so viel Tageslicht, dass Lukas ihren Umriss und den Metallgriff erkennen konnte. Er machte einen Schritt auf die Klappe zu und trat mit dem rechten Fuß auf ein loses Brett. Es hob sich, Lukas kam aus dem Gleichgewicht, prallte gegen die Holzvertäfelung und ließ die Taschenlampe fallen. Scheiße! Scheiße! Scheiße! Wieso kann nicht einmal etwas glatt gehen? Mit einem dumpfen Poltern fiel das Brett dorthin zurück, wo es hingehörte und wo es eigentlich festgenagelt sein sollte.
    Lukas hielt den Atem an und lauschte. Es war völlig still … zu still. Der verdammte Fernseher war aus. Und dann riss sie die Tür auf und fiel ihn an, schreiend und nach Alkohol stinkend. Lukas ließ Taschenlampe und Spaten fallen – einen kurzen Moment hatte er überlegt, einfach zuzustechen – und hielt sich die schimpfende Frau vom Leib. Sie hatte einen großen Kristallaschenbecher in der Rechten, mit dem sie nach ihm schlug. Er schaffte es, ihr das Ding aus der Hand zu reißen, sie umzudrehen, sie zu umklammern und ihre Arme zu fixieren. Yvonnes Mutter strampelte mit den Beinen, trat ihm hart gegen die Knie. Aber Lukas hielt sie in der Luft und drückte zu, sie konnte ihm nicht entkommen. Sein Mund war dicht an ihrem Ohr.
    „Jetzt beruhigen Sie sich, ich tue Ihnen nichts. Bitte beruhigen Sie sich. Ich verspreche Ihnen, dass ich Ihnen nichts tue. Bitte, beruhigen Sie sich …”
    Er sprach fast eine Minute auf sie ein, dann wurde sie tatsächlich ruhiger. Er setzte sich mit ihr auf den Boden, hielt sie aber immer noch von hinten fest.
    „Ich war gestern schon einmal da, ich hab Ihre Tochter nach Hause gefahren … vielleicht erinnern Sie sich, Sie haben mir gestern Ihre Bilder gezeigt.”
    „EIN VERSCHISSENER EINBRECHER BIST DU!” Sie bäumte sich auf und versuchte, sich aus seinem Griff zu winden. Aber Lukas nutzte sein Gewicht und drückte sie auf den Boden. Die Frau war wirklich unberechenbar. Gestern noch hatte sie ihm etwas zu Trinken angeboten … obwohl er die Tür eingetreten hatte.
    „Bitte hören Sie mir zu. Mein Name ist Lukas Kramer, wir haben uns gestern schon gesehen. Sie haben mir erzählt, dass Sie schon Ausstellungen gehabt haben und mir Ihre Bilder gezeigt. Das sind wirklich sehr gute Bilder. Wir haben auch zusammen etwas getrunken, wir haben zusammen angestoßen.”
    Lukas merkte, wie der Körper der Frau erschlaffte. Plötzlich fühlte sie sich ganz weich an, als hätte sie keinen einzigen Knochen im Leib.
    „Lass mich schon los, ich hab sowieso keine Kraft mehr. Außerdem bist du ganz nass.”
    Ihre Stimme klang betrunken, resigniert und betrunken. Lukas ließ sie los und stand auf.
    „Hilf mit hoch. Ich erinnere mich … ich weiß, wer du bist.”
    Lukas gab ihr die Hand und zog sie beim zweiten Versuch vom Boden hoch. Die Frau richtete ihren Bademantel und schlurfte wortlos Richtung Wohnzimmer. Lukas folgte ihr und bemerkte, dass sie weniger schwankte als am Tag zuvor … dafür klang sie heute besoffener. Der Fernseher lief noch, nur den Ton hatte sie ausgeschaltet. Die Frau mit dem schönen Körper und dem furchtbaren Gesicht ließ sich auf die Couch fallen und Lukas stellte sich neben sie. Auf RTL stritten sich lautlos zwei aggressiv geschminkte Frauen.
    „Bist du gerade von einem Auto überfahren worden? Du siehst nämlich so aus.”
    Lukas kniete sich vor das Sofa und sah sie an.
    „Ich kann das jetzt nicht alles erklären. Ich muss bei Ihnen in den Keller. Ist Yvonne da?”
    „Ich weiß nicht, wo meine Tochter ist.”
    „Ich gehe jetzt in den Keller. Bitte bleiben Sie hier oben und warten Sie auf mich, es ist wirklich wichtig.”
    „Mach was du willst, ist mir egal. Viel Spaß da unten.”
    Die Frau
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