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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau
Autoren: Oliver Susami
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mit dem roten Gesicht und den verquollenen Augen griff nach der Fernbedienung und stellte den Ton an. Jetzt hörte man sie schreien, die beiden Frauen auf RTL.
     
    *
     
    Lukas zog vorsichtig die Luke auf, lehnte den Deckel gegen die Rückwand des schmalen Flures und stieg eine schmale, steile, alles in allem wenig vertrauenerweckende Holztreppe hinab. Es war völlig still hier unten, ganz leise nur hörte Lukas die Geräusche des Fernsehers. Er drehte an einem alten schwarzen Lichtschalter, es knackte und eine nackt von der Decke hängende Glühbirne leuchtete auf. Auf einer der Treppenstufen drückte sich eine kleine graue Maus an die Wand. Sie wusste nicht, wohin sie fliehen sollte. Lukas sah das sich verängstigt duckende Tier, tat ihm aber nichts. Er stieg an der schutzlosen Maus vorbei bis ganz nach unten.
    Der Raum, den Lukas betrat, war etwa dreißig Quadratmeter groß. Eine Seite des Raumes wurde von einer großen Regalwand eingenommen, in der verstaubte Marmeladengläser standen. Es waren hunderte und alle waren verdorben. In der Mitte des Raumes stand ein großer Holztisch, darauf eine staubige, nicht zu Ende gebrachte Miniatur: Ein exaktes Holzmodell des alten Rothenbach. Lukas erkannte den Kirchturm und die Wassermühle, die seit Jahrzehnten ein Museum war. Das musste dieser alte Mann gebaut haben, dieser Heimatforscher, mit dem die Schneiders gesprochen hatten, der Ur-Urgroßvater von Yvonne. Scheinbar hatte er nicht lange genug gelebt, um sein Werk zu vollenden. Einige der Häuser waren nicht angemalt und etwas außerhalb der Miniaturstadt lagen sorgfältig aufgereiht zwanzig aus kleinen Ästen und grünen Stofffetzen gefertigte Miniaturbäume, die der Mann nicht mehr hatte aufstellen können.
    Lukas bewegte sich leise um das Modell herum. Das Licht der staubbedeckten Glühbirne reichte kaum aus, um den ganzen Raum zu überblicken. An der Wand gegenüber dem Marmeladenregal war landwirtschaftliches Gerät aufgetürmt: Pflüge, Pferdegeschirr, Holzbottiche und ein Ding, das wie eine Saft- oder Ölpresse aussah.
    Lukas erschrak und trat einen Schritt zurück. Zwischen all dem Gerät war ein verzerrtes, dunkelbraunes Gesicht mit spitzen weißen Zähnen. Lukas begriff nur den Bruchteil einer Sekunde, nachdem er es gesehen hatte, dass er diese Fratze seit seiner Kindheit kannte: Eine Fasnachtsmaske glotzte ihn mit leeren Augen an, eine der Hexenmasken, die sie immer bei den Umzügen trugen. Lukas entdeckte noch zwei weitere Masken, als er mit seiner zerbissenen Taschenlampe in das Dickicht aus rostigem Metall, rissigem Leder und morschem Holz leuchtete: Einen roten Teufel mit gedrehten Hörnern und einen dickbackigen, glotzäugigen Frosch. Auch an diese Masken erinnerte er sich.
    Aber Lukas war nicht hier unten, um sich alten Kram anzuschauen. Er suchte sie, dieses Ding, das die Schneiders „Das dürre Weib” genannt hatten. Lukas ging den niedrigen Raum ab, fand aber weder die Rückseite der Holztür, die er mit Erde blockiert hatte, noch irgendeinen anderen Durchgang. Nichts als gemauerte, weiß verputzte Wände voller verstaubter und verklumpter Spinnweben. Ratlos stützte er sich auf den Tisch in der Mitte des Raumes und starrte auf das Holzmodell … als habe er erwartet, darin irgendeinen Hinweis zu finden. Immer noch taten ihm Arme und Schultern weh, sein Nacken fühlte sich an, als bestünde er aus straff gespannten Stahlseilen. Außerdem hatte Lukas furchtbaren Durst. Er hatte vergessen, seine Wasserflasche nachzufüllen und seine Zunge fühlte sich an wie ein toter Fisch, den jemand in die Sonne gelegt hatte. Langsam aber sicher bekam er Kopfschmerzen Das bekam er immer, wenn er zu wenig trank.
    Lukas sah sich in dem Keller um, fand einige Weinflaschen, hatte aber nichts, mit dem er sie öffnen konnte. Dann fand er in einem Regal zwei Bierflaschen. Sie waren alt, das Etikett löste sich ab, als Lukas eine der Flaschen in die Hand nahm. Aber das war egal, er öffnete die Flasche an der Kante eines Regalbrettes und trank das Zeug. Es schmeckte fad und säuerlich … nur noch entfernt nach Bier. Aber es war besser als nichts und Lukas machte sich daran, ein weiteres Mal den Raum zu untersuchen. An einer der Wände stand ein schmaler, hoher Schrank. Lukas öffnete ihn ganz vorsichtig, mit dem Spaten in der Hand, bereit zum Zustechen. Im Schrank hingen dicht gedrängt alte Frauenkleider, darunter irgendwelche alten Decken. Alles zusammen stank nach Schimmel und Mottenkugeln.
    Lukas schloss den
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