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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau
Autoren: Oliver Susami
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Speer, der doch nur ein alter Spaten war. Er lief und lief und sah sie nicht mehr. Und dann kam er an eine Holztür. Es war eine alte Tür mit Eisenbeschlägen. Und sie war verschlossen. Lukas hatte auf morsches Holz gehofft aber sie gab keinen Millimeter nach. Die Hiebe mit dem Spaten verursachten nur kleine, oberflächliche Kerben und nach einigen Versuchen hatte Lukas Angst, an den Metallbeschlägen seine Waffe zu beschädigen. Er ließ den Spaten fallen und setzte sich erschöpft auf die kalte, feuchte Erde. Er fühlte sich, als wäre er gerade zusammengeschlagen worden.
     
    *
     
    Der Zustand, in dem sich Lukas befand, war grotesk. Er hätte sich erschöpft zusammenrollen und schlafen können, hier unter der Erde, in Schmutz und Gestank. Zugleich wollte er raus hier, schnellstmöglich raus hier, nur raus aus diesem engen Grab und weg von dem Dreckvieh, das irgendwo hinter dieser Tür sein musste. Und – diese Regung war stark, stark und schön und voller Lust – er wollte töten, er wollte dieses Ding zur Strecke bringen, er wollte ihm mit seinem Spaten den hässlichen Schädel einschlagen. Lukas rappelte sich auf und rammte wieder und wieder den Spaten gegen die Tür. Das verdammte Ding gab einfach nicht nach. Das war doch bescheuert! Diese scheiß Tür sah aus, als wäre sie tausend Jahre alt und gab einfach nicht nach! Als er sich beruhigt hatte, da überlegte er angestrengt, was nun seine Möglichkeiten waren. Er zog sein Handy aus der Tasche, hatte aber immer noch keinen Empfang … natürlich nicht. Lukas kam die Idee, einfach nach oben zu graben, sich freizugraben. Dann würde er wissen, wo er sich befand. Aber wie tief unter der Erde war er überhaupt? Einen Meter? Zwei Meter? Zwanzig Meter? Und was, wenn er mit seiner Graberei diesen verdammten Tunnel tatsächlich zum Einsturz brachte? Scheiß drauf! … Scheiße drauf! Scheiß drauf! Scheiß drauf! Lukas stieß mit aller Kraft den Spaten in die Tunneldecke. Die Erde war hart, es war Schwerstarbeit. Lukas musste Wurzeln durchtrennen und immer wieder fielen ihm Steine ins Gesicht. Die Taschenlampe hatte er sich unter den Gürtel geklemmt, wenigstens hatte er dieses Ding nicht mehr im Mund, wenigstens war der Würgereiz weg.
    Zehn Minuten später hatte Lukas einen Meter geschafft. Die herabgefallene Erde schob er gegen die Holztür. Vielleicht hat das Vieh ja einen Fehler gemacht. Vielleicht hat es den falschen Weg genommen. Vielleicht sitzt es jetzt in der Falle. Vielleicht kann ich ihm den einzigen Fluchtweg versperren. Lukas hoffte verzweifelt darauf und stieß weiter in die Erde über ihm. Fünf Minuten später hatte er brennende Schmerzen in den Armen und Schultern, er konnte kaum noch den Spaten hochhalten. Lukas schüttelte sich, brüllte seine Wut und seinen Schmerz in die Dunkelheit und machte weiter. Und dann … nach weiteren drei Minuten wütenden Zustoßens, sah Lukas Tageslicht, etwa eineinhalb Meter über ihm. JA! JA! JA! JA! JA! Lukas improvisierte einen unterirdischen, gebückten Freudentanz und ließ sich auf den Hintern fallen. Durch diese schmale Öffnung kam er zwar nicht aus dem Tunnel raus, aber das war egal … Hauptsache Licht, Hauptsache eine Verbindung zur Oberwelt. Als Lukas sich beruhigt hatte, da öffnete er seinen Rucksack und nahm das Isolierband heraus. Er stellte sein Handy auf Navigation, befestigte es mithilfe mehrerer Streifen Klebeband an der Spitze des Spatenblattes und streckte die Konstruktion in den gerade gegrabenen Schacht hinein. Er kam damit bis ganz nach oben, das Handy war über der Erde. Etwa eine halbe Minute konnte Lukas den Spaten halten, dann zitterte sein Arm und die Schmerzen in seiner Schulter wurden unerträglich. Aber die Zeit hatte gereicht, als Lukas das Handy zu sich herunterließ, da zeigte es ihm tatsächlich seinen Standort.
    Lukas brauchte einige Sekunden, bis er sich auf der Karte orientiert hatte. Als er begriff, wo er war, da atmete er tief ein, hielt die Luft an und sagte „Ach du heilige Scheiße!”
    Während er weiter Erde an die Holztür schaufelte, rasten seine Gedanken. Was hatte das zu bedeuten? Was hatte das verdammt nochmal zu bedeuten? Als er sich sicher war, die Tür blockiert zu haben, da versuchte er, seinen gerade gegrabenen Schacht größer zu machen. Aber das war aussichtslos. Er traf auf dicke Wurzeln, die zu durchtrennen er keine Kraft mehr hatte. Und überhaupt … ohne so etwas wie eine Strickleiter kam er hier nicht heraus.
    Also trat Lukas den Rückweg an,
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