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Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Titel: Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Autoren: Werner Kraus Hans von Storch
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schon gar nicht in ihrer disziplinären Spezialisierung; es bedarf des Beitrages der Sozial- und Kulturwissenschaften, um die Kontroversen zu identifizieren, die „Bilder“, in denen sie ausgetragen werden, lesen zu können, die daran beteiligte Öffentlichkeit zu beschreiben und so die Einbettung von naturwissenschaftlichem Wissen in gesellschaftliche Kontexte zu ermöglichen. Erst dann kann das in die Tiefe gehende Wissen des Experten mit der in die Breite gehenden Suche nach gesellschaftlichen Lösungen zusammengebracht werden.
    (10) Schematische Darstellung verschiedener wissenschaftlicher Zugänge zum Möwe/Fisch-System: prozessorientiert, modellierend und systemtheoretisch. Von Thilo Gross
    Idealerweise wird hier der klimawissenschaftliche Blick durch einen ethnographischen ergänzt, wenn es darum geht, die jeweilige Situation oder den Konflikt überhaupt zu verstehen. Erst eine so verstandere Klimaforschung kann die Rolle des „ehrlichen Vermittlers“ einnehmen, der den Beteiligten Szenarien und Optionen für ihre jeweiligen Handlungsstrategien vorschlägt. Wir haben bereits am Beispiel des Nationalparks und der Klimaforschung in vorhergehenden Kapiteln gezeigt, wie groß die Verlockung gerade für Wissenschaftler ist, im Namen einer „objektiven Wahrheit“ alle anderen Optionen außer der selbst vorgeschlagenen auszuschließen. Es ist gerade dieses Insistieren auf einer wissenschaftlichen Wahrheit als Schlüssel zu einer politischen Entscheidung, die aus dem Wissenschaftler einen heimlichen Advokaten macht, vor dem Roger Pielke jr. warnt. Es ist vor allem für die Naturwissenschaften ein großer Schritt, sich anderen Disziplinen zu öffnen und in einen solchen Dialog einzutreten, und doch handelt es sich um eine elementare Option für die Zukunft: Über kurz oder lang wird die Klimawissenschaft immer mehr zu einem Vermittler von wissenschaftlichem Wissen werden, bei gleichzeitig zunehmender sozial- und kulturwissenschaftlicher Kompetenz. Wie relevant diese Option ist, zeigt sich auch daran, dass sie im neuen Weltklimabericht des IPCC ausdrücklich erwähnt und empfohlen wird.
    Die Geschichte des Nationalparks zeigt allerdings auch, wie schmal der Grat zwischen Aufklärung und Bevormundung ist. Die Auseinandersetzung mit dem Naturschutz hat tiefe Verletzungen an der Küste hinterlassen. Von Naturschützern und Wissenschaftlern wird die Küstenbevölkerung immer wieder als entweder zurückgeblieben und der Aufklärung bedürftig oder aber als modernistisch und vom Fortschritt besessen dargestellt. Zeitweise hatte man den Eindruck, dass ganze Armeen von Wissenschaftlern und Institutionen im Namen eines Natur- und Küstenmanagements unterwegs sind, um die angeblich hinterwäldlerische Küstenbevölkerung über die Notwendigkeit des Naturschutzes und die Bedrohung des Klimawandels aufzuklären. Hier zeigt sich auch, dass Natur und Klima immer auch kulturell und politisch aufgeladen sind: Sie dienen dazu, mittels Erziehung Natur- oder Klimasubjekte herzustellen, um sie besser regieren und verwalten zu können.
    Diese Wissens- und Aufklärungswut kontrastiert allerdings mit der Lebenswirklichkeit vieler Küstenbewohner, wie auch der Ethnologe immer wieder feststellen musste, wenn er mit ihnen über die Konflikte rund um den Nationalpark reden wollte, diese ihm aber viel lieber ihren Bürgerwindpark mit den neuesten Repower-Windturbinen vorstellen wollten. Es gibt nämlich einiges von ihnen zu lernen, was auch Wissenschaftler staunen macht.
Klimawandel als Chance
    Die Energiewende, die in Deutschland gerade vollzogen wird, hat einen ihrer Ursprünge in Nordfriesland, bei Bauern und Bastlern hinter dem Deich. Die Ölkrise in den siebziger Jahren und auch die aufkommende Umweltbewegung brachten einige Bewohner in Nordfriesland und Dithmarschen auf die Idee, sich von „den Scheichs“ unabhängig zu machen und eigenen Strom zu produzieren. Einen weiteren kräftigen Schub erhielten diese noch vereinzelten Initiativen durch die Anti-Atomkraftbewegung. Der Druck wurde so stark, dass der Staat, der immer noch auf eine Zukunft mit Atomkraft setzte, sich gezwungen sah zu reagieren. Zuerst mit der legendären Großwindkraftanlage GROWIAN, von der man munkelte, dass sie nur aufgestellt wurde um zu beweisen, dass Windkraft nicht funktioniert, und später mit vom damaligen BMFT geförderten Programmen für kleinere Turbinen, deren Erfolg alle Erwartungen überstieg. 102
    Die Politik schwenkte auf Druck der Umwelt- und
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