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Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Titel: Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Autoren: Werner Kraus Hans von Storch
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Verschärfung des Risikos aufgrund des menschengemachten Klimawandels und dem „säkularen“, seit hundert und mehr Jahren anhaltenden Anstieg des Meeresspiegels zu unterscheiden. Auf jeden Fall wird der Küstenschutz ernst genommen, und aufgrund der Möglichkeit eines verschärften Risikos werden neue Deiche so gebaut, dass bei Bedarf problemlos ein halber Meter auf die modernen Deiche gesetzt werden kann.
    Der Küstenschutz ist die traditionell wichtigste und politisch einflussreichste Institution an der Küste, er trägt die Verantwortung für die Küstensicherheit. Diese lag früher in denHänden der Küstengemeinden und des Deichgrafen; das Bild des Deichgrafen, der den Spaten auf den Grund desjenigen Bauern steckte, dessen Deichabschnitt nicht gepflegt war, ist sprichwörtlich: Der betroffene Bauer musste den Hof verlassen. Auch wenn der Küstenschutz heute in staatlicher Hand ist, so ist er noch immer eine politisch wichtige Schnittstelle zwischen Bevölkerung und denen „in Kiel“ oder in Berlin. Noch immer ist die jährliche Deichbegehung ein Akt von ritueller Bedeutung; als der Nationalparkdirektor zum ersten Mal dazu geladen wurde, um mit dem Deichgrafen, den Küstenschützern und anderen Honoratioren die Deiche zu besichtigen, empfand er das als einen Ritterschlag.
Küstenschutz und Klimaforschung
    In einer Reportage in Die Zeit mit dem Titel „Klimawandel an der Küste. Kampf um jeden Zentimeter“ 96 nahm der Journalist Max Rauner ein Treffen zwischen einem Klimawissenschaftler und einem Küstenschützer zum Anlass, sich auf die Spur von Klimazukünften zu heften. Er spielt dies an konkreten Ereignissen durch und lässt dabei verschiedene Akteure auf- und zueinander in Beziehung treten. Das Forschungsschiff „Ludwig Prandtl“ des Küstenforschungsinstituts des Helmholtz-Zentrums Geesthacht machte mit Wissenschaftlern und Gästen an Bord eine Tour entlang der Westküste Schleswig-Holsteins, um die Küstenforschung der Öffentlichkeit vorzustellen. Über einen Abendvortrag in Wyk auf Föhr zu Fragen zum Klimawandel und Meeresspiegelanstieg schreibt Max Rauner:
    „Vorne steht der Klimaforscher Hans von Storch, der mit seinen weißen Haaren und seiner norddeutschen Gemütlichkeit auch einen guten Pastor abgeben würde. (…) Wegen seines Vortrags hat der Gospelchor seine Probe verschoben, die Lokalpolitiker sind gekommen, viele Touristen. Die Einheimischen haben aufblasbare Sitzkissen mitgebracht.“
    Auch die globale Klimapolitik ist indirekt anwesend:
    „Es ist das Ende eines langen Tages, an dem sich Wyk und die Weltpolitik ganz nahe kommen. Einigung über Klimaziele, steht an diesem Tag in den Zeitungen, in Italien haben die Regierungschefs der G-8-Staaten versprochen, die Treibhausgase zu reduzieren, sodass die Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit unterhalb von zwei Grad bleibt“.
    Der Journalist spannt hier einen Bogen von globaler Klimakommunikation hin zu einer von äußeren Erscheinungen, Herkunft und persönlichen Charakteristika gefärbten Unterhaltung. Vor Ort und in einer Situation, da unterschiedliche Meinungen zur Disposition stehen, spielt plötzlich die Persönlichkeit des Forschers eine Rolle. Auch am nächsten Tag kommt es zu einem rituellen Austausch von Höflichkeitsformeln, als ein Küstenschützer vom Landesamt für Küstenschutz an Bord kommt. Im Streit um alarmistische oder weniger alarmistische Prognosen zum Meeresspiegelanstieg wird er mit den Worten zitiert, dass er den Zahlen von Hans von Storch glauben würde, da dieser ein konservativer Klimaforscher sei. Doch natürlich verlässt sich der Küstenschützer nicht auf seinen persönlichen Eindruck, sondern studiert den IPCC-Bericht und alle anderen Veröffentlichungen, um sich einen Überblick über die Datenlage und ihre Verlässlichkeit zu verschaffen, wie der Journalist weiter berichtet:
    „Aber auf Seite 821 [des IPCC Berichts] steht ein Satz, den Deichbauer gar nicht mögen: ‚Es gibt Defizite im wissenschaftlichen Verständnis des Meeresspiegelanstiegs. Vielleicht unterschätzen die Berechnungen die wirklichen Verhältnisse.’“
    Mit den Mitteln des Journalismus zeigt Max Rauner, dass der Klimawandel zugleich auf einer Abendveranstaltung auf Föhr, in Italien auf einem G-8-Gipfel, beim Landesamt für Küstenschutz und in den Modellen der Klimaforschung, erstellt von den Supercomputern, verhandelt wird. Das Bild, das er entwirft, ist ganz anders als das Klischee einer Klimawissenschaft, die Zugang
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