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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant
Autoren: Jules Verne
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Glenarvan und einige andere große Familien des Niederlands, war er, wenn auch nicht im Handeln, doch in der Gesinnung dem erobernden England feind. In seinen Augen konnten die Interessen seines Landes nicht mit denen der Angel-Sachsen zusammenstimmen, und um denselben eigenthümlich selbständige Entwickelung zu geben, beschloß er, auf einem der Länder Oceaniens eine große schottische Colonie zu gründen. Dachte er für die Zukunft dabei an die Unabhängigkeit, wovon die Vereinigten Staaten Amerikas das erste Beispiel gegeben hatten, und welche Indien und Australien einst unfehlbar erringen werden? Vielleicht. Vielleicht auch ließ er seine stillen Hoffnungen merken. Begreiflich, daß die Regierung nicht darauf einging, zu seinem Colonisationsproject die Hand zu bieten; sie bereitete sogar dem Kapitän Grant Schwierigkeiten, welche in jedem andern Lande ihren Mann vernichtet hätten. Aber Harry verlor den Muth nicht; er wendete sich an den Patriotismus seiner Landsleute, setzte sein Vermögen daran, ein Schiff zu bauen, und dann, als sich eine auserlesene Mannschaft mit ihm zusammenfand, vertraute er seine Kinder der Pflege seiner alten Cousine und segelte ab, um die großen Inseln der Südsee für seinen Zweck zu durchforschen. Dies geschah im Jahre 1861. Ein Jahr lang, bis zum Mai 1862, erhielt man Nachrichten von ihm; aber seit seiner Abfahrt von Callao, im Juni desselben Jahres, hörte man kein Wort mehr von der Britannia , und die Seezeitung verstummte über das Schicksal des Kapitäns.
    So war die Lage der Dinge, als die alte Cousine Harry Grant’s starb, und nun fanden sich die beiden Kinder allein auf der Welt.
    Mary Grant war damals vierzehn Jahre alt; ihre starke Seele erschrak nicht vor dem schweren Loose, das ihr zugefallen war, und sie widmete sich ganz ihrem Bruder, der noch Kind war. Ihr lag es nun ob, ihn zu erziehen, zu unterrichten. Mit Sparsamkeit, Klugheit und Anstrengung ihrer Geisteskraft, mit Arbeit bei Tag und Nacht widmete sie sich ihm ganz, versagte sich Alles: so ward die Schwester fähig, ihren Bruder zu erziehen, und sie erfüllte muthig diese mütterliche Pflicht.
    Die beiden Kinder lebten also zu Dundee in dieser rührenden Lage einer Armuth, welche sie mit Edelmuth ertrugen, gegen die sie tapfer kämpften. Mary hatte keinen andern Gedanken, als an ihren Bruder, sann nur darauf, ihm eine glückliche Zukunft zu bereiten. Sie hielt die Britannia für hoffnungslos verloren, ihren Vater für zweifellos todt. Man denke also, mit welcher Gemüthsbewegung sie die Anzeige in der »Times« las, welche zufällig ihr vor Augen kam und sie plötzlich aus ihrer Hoffnungslosigkeit herausriß.
    Jetzt galt es, nicht zu zögern; ihr Entschluß war rasch gefaßt. Sollte sie auch erfahren müssen, daß man den Leichnam des Kapitän Grant an einer öden Küste, auf dem Rumpfe eines gescheiterten Schiffes, aufgefunden habe, besser doch, als dieser unablässige Zweifel, diese ewige Qual eines unbekannten Schicksals.
    Sie theilte es ihrem Bruder mit, und noch denselben Tag fuhren die beiden Kinder mit der Eisenbahn ab, und kamen Abends zu Malcolm-Castle an, wo Mary nach so vielem Kummer wieder Hoffnung faßte.
    Diese Jammergeschichte erzählte Mary Grant der Lady Glenarvan in höchst einfacher Weise, ohne daran zu denken, daß sie sich bei alle diesem in der langen Prüfungszeit als ein heroisches Mädchen benommen hatte; aber Lady Helena dachte so an ihrer Statt, und schloß wiederholt, ohne ihre Thränen zurückzuhalten, die beiden Kinder des Kapitän Grant liebevoll in ihre Arme.
    Robert schien diese Geschichte zum ersten Male zu hören; er machte große Augen bei der Erzählung seiner Schwester; er begriff Alles, was sie gethan, gelitten hatte, endlich rief er aus, sie umarmend: »O! Mama! Liebe Mama!« Er konnte den Ausruf, der aus des Herzens Tiefe drang, nicht mehr zurückhalten.
    Während dieser Unterredung war es völlig Nacht geworden. Lady Helena wollte, in Rücksicht auf die Ermüdung der beiden Kinder, diese Unterhaltung nicht länger fortsetzen. Mary und Robert Grant wurden in ihre Zimmer geführt und schliefen ein in Träumen an eine bessere Zukunft.
     

    Als sie weggegangen waren, ließ Lady Helena den Major rufen und erzählte ihm Alles, was sich diesen Abend begeben hatte.
    »Ein braves Mädchen, diese Mary Grant, sagte Mac Nabbs, als er die Erzählung seiner Cousine hörte.
    – Wollte der Himmel, daß meinem Mann sein Vorhaben glückt! Denn die Lage dieser beiden Kinder würde
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