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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant
Autoren: Jules Verne
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drei Sprachen dem Meere preisgegebenen Document um Hilfe riefen.
    Während dieser Erzählung sah Robert Grant mit gespannten Blicken die Lady an; seine kindliche Phantasie malte ihm fürchterliche Scenen vor, welchen sein Vater zum Opfer geworden war; er sah ihn auf dem Verdeck der Britannia, begleitete ihn durch die Meeresfluthen, erklimmte mit ihm die Felsen der Küste. Mehrmals entfuhren ihm während der Erzählung unwillkürliche Worte.
    »Ach! Papa, mein armer Papa!« rief er, an seine Schwester sich schmiegend.
    Miß Grant horchte zu, faltete die Hände, äußerte kein Wort, bis die Erzählung beendigt war, dann sprach sie:
    »O! Gnädige Frau, das Document! Das Document!
    – Ich habe es nicht mehr, liebes Kind, erwiderte Lady Helena.
    – Sie haben es nicht mehr?
    – Nein, Lord Glenarvan hat es mit nach London genommen, um für Deinen Vater zu wirken; aber ich habe Ihnen Wort für Wort seinen ganzen Inhalt mitgetheilt und habe Ihnen gesagt, wie es uns gelungen ist, den Sinn desselben genau heraus zu bekommen; unter den fast ausgetilgten Wortresten haben die Fluthen einige Zahlen verschont; leider ist die Länge …
    – O, die braucht man nicht zu wissen! rief der Knabe.
    – Ja, Robert, erwiderte Helena lächelnd, als sie ihn so entschlossen sah. Also, Miß Grant, Sie wissen nun die geringsten Details, wie ich selbst.
    – Ja, gnädige Frau, erwiderte das Mädchen, aber ich hätte gern die Handschrift meines Vaters gesehen.
    – Nun, morgen wird Lord Glenarvan wohl wieder hier sein. Mein Mann hat dieses unbestreitbare Document den Commissären der Admiralität vor Augen legen wollen, um zu erwirken, daß sogleich ein Schiff zur Aufsuchung des Kapitän Grant ausgeschickt werde.
    – Ist es möglich, gnädige Frau! rief das Mädchen aus; das haben Sie für uns gethan?
    – Ja, liebe Miß, und ich erwarte die Rückkunft Lord Glenarvan’s jeden Augenblick.
    – Gnädige Frau, sagte das Mädchen mit dem Ton innigster Dankbarkeit und warmer Frömmigkeit, der Himmel vergelte Ihnen und Lord Glenarvan die Wohlthat.
    – Liebes Kind, erwiderte Lady Helena, jeder andere Mensch hätte an unserer Stelle ebenso gehandelt. Möchten die Hoffnungen, welche ich bei Ihnen angeregt habe, in Erfüllung gehen! Bleiben Sie bis zur Rückkunft Lord Glenarvan’s bei mir auf dem Schloß …
    – Gnädige Frau, erwiderte das Mädchen, ich möchte die freundliche Güte, welche Sie Personen, die Ihnen fremd sind, erweisen, nicht mißbrauchen …
    – Fremd! Liebes Kind; weder Sie, noch Ihr Bruder sind unserm Hause fremd, und ich wünsche, daß Lord Glenarvan bei seiner Rückkehr den Kindern des Kapitän Grant mittheile, was man zur Rettung ihres Vaters thun wird.«
    Ein so gütiges Anerbieten war nicht abzulehnen. Miß Grant und ihr Bruder warteten also zu Malcolm-Castle die Rückkehr des Lord Glenarvan ab.
Viertes Capitel.
Ein Vorschlag der Lady Glenarvan.
    Während dieser Unterredung hatte Lady Helena nicht von den Besorgnissen gesprochen, welche Lord Glenarvan in seinem Brief über die Aufnahme seines Gesuches von Seiten der Commissäre der Admiralität geäußert hatte. Ebensowenig in Betreff der vermuthlichen Gefangenschaft des Kapitän Grant bei den Indianern SüdAmerikas. Vielmehr, nachdem sie alle Fragen der Miß Grant beantwortet hatte, fragte sie dieselbe ihrerseits über ihr Leben, ihre Lage in der Welt, worin sie die einzige Beschützerin ihres Bruders zu sein schien.
    Die einfache und rührende Erzählung des Mädchens vermehrte noch die freundliche Theilnahme der Lady Glenarvan für dasselbe.
    Miß Mary und Robert Grant waren die einzigen Kinder des Kapitäns. Harry Grant hatte seine Frau bei der Geburt Robert’s verloren, und während weiter Seefahrten seine Kinder der Pflege einer guten alten Cousine überlassen.
    Der Kapitän Grant war ein kühner Seemann, der seinen Beruf wohl verstand, guter Schiffer und zugleich auch Kaufmann, vereinigte also einen doppelten Vorzug der Kapitäne von Kauffahrteischiffen. Er wohnte zu Dundee in der schottischen Grafschaft Perth, war ein eingeborenes Landeskind. Er hatte von seinem Vater, welcher Pfarrer der Katharinenkirche war, eine tüchtige Erziehung erhalten, was keinem Menschen, nicht einmal einem Schiffskapitän, nachtheilig ist.
    Bei seinen ersten Seefahrten machte er gute Geschäfte, so daß er einige Jahre nach Robert’s Geburt im Besitz eines hübschen Vermögens war.
    Damals faßte er einen großartigen Plan, der seinen Namen in Schottland populär machte. Wie die
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