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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant
Autoren: Jules Verne
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Glenarvan, welche in der Heimat Rob Roys die gastlichen Gebräuche der alten Helden Walter Scott’s bewahrt. Zur Zeit als in Schottland die große sociale Revolution sich vollzog, wurde eine große Menge Vasallen, welche den alten Clanhäuptern nicht hohes Pachtgeld zahlen konnten, ausgetrieben; einige derselben starben Hungers, andere wurden Fischer, wieder andere wanderten aus. Es war eine Zeit allgemeiner Verzweiflung. Nur allein die Glenarvan glaubten, daß die Pflicht der Treue Große wie Kleine binde, und sie hielten ihren Lehnsleuten die Treue. Nicht ein einziger hatte das Haus, wo er geboren war, zu verlassen, keiner das Land, wo seine Vorfahren ruhten; alle blieben bei dem Clan ihrer alten Herren. Darum zählte denn auch damals die Familie Glenarvan im Schlosse Malcolm wie an Bord des Duncan nur Schotten; alle stammten von Vasallen Mac Gregor’s, Mac Farlane’s, Mac Nabbs, Mac Naughton’s, d.h. sie waren Eingeborene der Grafschaften Stirling und Dumbarton, wackere Leute, mit Leib und Seele ihrem Herrn ergeben; Manche von ihnen redeten noch die altcaledonische Sprache.
    Lord Glenarvan besaß ein unermeßliches Vermögen, das er reichlich zu Wohlthaten verwendete; seine Güte übertraf noch seinen Edelmuth. Der Erbherr von Luß, der »Laird« von Malcolm, vertrat seine Grafschaft im Hause der Lords. Aber wegen seiner jacobitischen Gesinnung, die wenig beflissen war dem Hause Hannover zu gefallen, war er bei den Staatsmännern Englands nicht wohl gelitten, zumal weil er an den alten Ueberlieferungen seiner Ahnen festhielt, und den politischen Eingriffen von Seiten des Südlands energisch widerstand.
    Doch war Lord Edward Glenarvan keineswegs hinter seiner Zeit zurückgeblieben, noch ein Mann von kleinem Geist und schwacher Einsicht; vielmehr gönnte er dem Fortschritt in seiner Grafschaft weite Bahn, und dabei blieb er Schotte mit ganzer Seele, und für den Ruhm Schottlands betheiligte er sich bei den Wettfahrten des Royal-Thames-Yacht-Club.
    Edward Glenarvan war dreißig Jahre alt, von hoher Statur und etwas strengen Zügen; aus seinen Augen sprach unendliche Güte, sein ganzes Auftreten trug den Stempel der Poesie des Hochlandes. Er galt für tapfer in hohem Grade, unternehmend, ritterlich, doch über alles gütig.
    Lord Glenarvan war erst seit drei Monaten verheiratet. Seine Gemahlin war Miß Helena Tuffnel, eine Tochter des großen Reisenden William Tuffnel, eines der zahlreichen Opfer der Wissenschaft und seiner leidenschaftlichen Vorliebe für Entdeckungen.
    Miß Helena gehörte nicht einer Adelsfamilie an, aber sie war Schottin, eine Eigenschaft, die in den Augen Lord Glenarvan’s den ältesten Adel aufwog. Diese junge, reizende, muthige, hingebende Dame hatte der Herr von Luß zu seiner Lebensgefährtin erkoren. Er traf sie einst, eine vereinsamte Waise, fast ohne Vermögen, im Hause ihres Vaters zu Kilpatrik. Das Mädchen gefiel ihm, und da er überzeugt war, sie werde eine tüchtige Frau sein, so heiratete er sie.
     

    »Wir sind die Kinder des Kapitän Grant, Madame.« (S. 27).
     
    Miß Helena war zweiundzwanzig Jahre alt, eine Blondine mit so blauen Augen, wie das Wasser der schottischen Seen an einem schönen Frühlingsmorgen. Ihre Liebe zu ihrem Gemahl ging noch über ihre Dankbarkeit. Sie liebte ihn, als wäre sie die reiche Erbin gewesen, und er die verlassene Waise. Ihre Pächter und Diener waren bereit, ihr Leben für die zu lassen, welche sie ihre »gute Dame von Luß« nannten.
    Lord Glenarvan und Lady Helena lebten glücklich zu Malcolm-Castle, mitten in jener prachtvollen und wilden Natur der Hochlande. Hier wandelten sie im düsteren Schatten von Kastanienbäumen und Sycomoren an den Ufern des Sees, wo man noch Kriegslieder aus der grauen Vorzeit vernahm, in den wilden Bergschluchten, wo die Geschichte Schottlands in Jahrhunderte alten Ruinen aufgezeichnet ist. Eines Tags schweiften sie in Birken-und Lärchengebüschen mitten in weiten Haidefeldern; eines andern klommen sie die steilen Höhen des Ben Lomond hinan, oder ritten durch einsame Thäler, wo sie die poetische Landschaft bewunderten, welche jetzt noch »das Land Rob Roy’s« genannt wird, und alle die herrlichen Gegenden, welche von Walter Scott so kräftig geschildert wurden. Abends, wann die Nacht einbrach und »Mac Farlane’s Leuchte« am Horizont flammte, gingen sie längs der Zinnen, einem alten Rundgang, der noch wie ein Halsband das Schloß Malcolm krönt, und hier weilten sie in Gedanken vertieft, die Welt
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