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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel
Autoren: Elisabeth Klee
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etwas: Dieses Gewand war ganz anders als alles, was sie bisher getragen hatte, das spürte sie. Es war nicht einfach ein Kleidungsstück, sondern stand für ein Bekenntnis, einen inneren Wandel. Die fremde Hülle fühlte sich an wie eine neue Haut, nicht wie eine Verkleidung. Dies war ein Neubeginn, ein neues Leben.
    «Ich brauche nichts anderes als dies hier», sagte sie leise. «Ich bin zufrieden. Und sollten Beginen denn überhaupthübsche und neue Sachen besitzen? Seid ihr – sind wir nicht eigentlich zur Armut verpflichtet?»
    Magdalène lachte. «O ja. Das schon, aber ich wette, sogar Jesus hat ein Paar Sandalen zum Wechseln gehabt. Und Magdalena besaß ganz gewiss einen schönen Gürtel oder ein buntes Tuch oder eine Kette aus Achat, auch wenn die Kirche das natürlich bestreitet. Aber ich weiß es besser: Eine Frau braucht so etwas. Übrigens verdienen wir hier alle so viel Geld, wie wir können, und das meiste davon geben wir für wohltätige Zwecke aus. Also hält sich der Magistrat mit Kritik zurück. Wir speisen die Armen, wir behandeln Kranke kostenlos, wir halten Totenwache. Sie wüssten ja gar nicht, wie sie ohne uns zurechtkommen sollten!»
    «Aber womit sollte ich wohl Geld verdienen», sagte Danielle. «Ich weiß ja nicht einmal, was ich kann!»
    «Die Hände erinnern sich oft, wenn auch der Kopf versagt», prophezeite Magdalène.
    Im Hospital war Danielle offensichtlich fehl am Platz. Sie hatte eine zu große Scheu, die Kranken zu berühren.
    «Nun stell dich doch nicht so an!», schimpfte Jeanne. «Du wirst doch wohl so eine kleine Wunde auswaschen und verbinden können. Das ist doch nun wirklich keine Kunst! Was hast du denn nur?»
    «Ich habe Angst, ihr wehzutun. Ich will den Kranken nicht schaden», sagte Danielle verzagt. Jeanne glaubte eher, dass die Italienerin sich vor Blut und Wunden ekelte und es nur nicht zugeben wollte. Auf Dauer war sie hier jedenfalls nicht zu gebrauchen.
    Da erschien Anne im Krankensaal und fragte: «Wo ist die Italienerin? Ah – da bist du ja. Du sollst sofort zur Meisterin kommen!»
    Danielles Herz krampfte sich zu einem ängstlichen Kloß in ihrer Brust zusammen. ‹Ich bin zu nichts nütze. Nun schickensie mich fort›, dachte sie. Das Haus der Grande Dame lag auf der anderen Seite des Hofs zur linken Hand und hatte eine schöne Aussicht auf den Garten. Doch Danielle hatte keinen Blick dafür. Beklommen und langsam stieg sie die drei Stufen zu Julianas Haus hoch und klopfte an die Tür.
    «Herein, herein», rief die Meisterin ungeduldig von drinnen. Zögernd öffnete Danielle die Tür, aber Anne gab ihr von hinten einen sanften Schubs. «Nun geh schon, sie wird dich nicht fressen.»
    Danielle stand in einer Schreibstube mit einem Stehpult. Darauf lag ein Blatt liniertes Pergament ausgebreitet, mit Bleischnur und Gewichten gehalten. Daneben stand ein Fässchen mit angeriebener Tinte. Eine Anzahl gespitzter Schreibfedern in verschiedenen Größen wartete auf ihren Gebrauch: eine Schwanenfeder für Initialen und Überschriften, verschiedene Gänsefedern bis hin zu feinen Krähenkielen für Schnörkel und Verzierungen.
    Juliana saß an einem Tisch, der mit Schriftrollen und Büchern bedeckt war, und hielt einen Abakus in der Hand.
    «Stell dich ans Pult und schreib!», kommandierte sie.
    Danielle tat wie befohlen.
    «Da ist ein Brief vom Magistrat. Kopiere ihn», sagte Anne.
    Danielle ergriff die mittlere der ausgelegten Gänsefedern, die eine kräftige, aber nicht zu pointierte Schrift ergeben würde. Sie prüfte mit dem Daumen den Schnitt der Spitze und tauchte die Feder in das Tintenfässchen. Sie begann zu schreiben, in großzügigen, geschwungenen Lettern. Anne schaute ihr über die Schulter. Juliana beobachtete alles gespannt, die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, die Fingerspitzen aneinandergelegt.
    «Und?», fragte sie nach einer Weile.
    Anne schüttelte den Kopf. «Passabel», brummte sie. «Aber nicht gut genug.»
    Danielle zuckte die Achseln, wischte die Feder mit einem Läppchen sauber, legte sie wieder zu den anderen und verschränkte die Arme vor der Brust. Anne nahm das beschriebene Blatt mit beiden Händen an den Rändern auf und ging damit zum Tisch der Meisterin.
    «Hm», sagte Juliana. Sie schaute hoch und sah den betroffenen Blick Danielles. «Ich mache dir doch keinen Vorwurf, schau nicht so traurig! Wir wollten nur wissen, ob du vielleicht das Kopistenhandwerk beherrschst. Ich habe dich überraschen wollen, damit du handelst, bevor du auf
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