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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel
Autoren: Elisabeth Klee
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den Gedanken kommst, dass du es vielleicht nicht kannst.»
    «Du schreibst ordentlich genug für den Hausgebrauch», sagte Anne freundlich. «Offenbar hast du eine gute Erziehung genossen. Kannst du rechnen? Ja? Wir führen die Bücher für die Franziskaner. Dabei könntest du mir helfen. Aber das Kopieren ist offenbar nicht dein Metier.»
    Juliana stand auf. «Wir werden schon noch herausfinden, was in dir steckt. Komm mit.»
    Wieder lief Danielle wie ein Schoßhündchen hinter Juliana her. Die Meisterin überquerte den Hof und hielt auf das größte der Wirtschaftsgebäude zu. Türen und Läden standen angelehnt, denn es war jetzt, Anfang Mai, schon sehr warm. Von drinnen klangen Schwatzen, Lachen, ein Klacken von Holz auf Holz und emsiges Gesumm.
    Juliana winkte Danielle mit einem gekrümmten Finger herein.
    «Komm! Das hier ist unser Lebensunterhalt und unsere beste Einnahmequelle. Hier stellen wir Stoffe her, die wir hernach mit gutem Gewinn verkaufen.»
    Sie traten ein. Danielle musste den Kopf einziehen, um sich nicht am Türbalken zu stoßen. Sie war für eine Frau ungewöhnlich hochgewachsen.
    Drinnen standen vier Webstühle, ein Tisch mit Garnrollen,naturweiß und in verschiedenen Farben, sowie einige Körbe mit Wolle. Drei Frauen saßen auf Schemeln in der Mitte des Raums. Die eine rupfte und sortierte die rohe Wolle, eine andere kämmte sie; eine weitere stand und betätigte Spindel und Rad.
    «Ho! Hier kommt Verstärkung!», riefen sie, ohne die Arbeit zu unterbrechen. So flink ging das, und so leicht sah das aus! Die Schiffchen flogen förmlich hin und her, die Pedale klapperten, die Schäfte klickten und ratterten, die Kardierkämme kratzten, das Spinnrad schnurrte, und die Finger schienen sich ganz von selbst zu bewegen.
    «Erkennst du, was du hier siehst?», fragte Juliana.
    Danielle drehte sich um ihre eigene Achse und nahm alles gründlich in Augenschein. «Schon», sagte sie langsam. «Das da, die senkrechten Gestelle an den Wänden, das sind Hochwebstühle. Sie haben nur zwei Fächer, damit kann man nur Leinwandbindungen und einfache Muster machen. Und das da, das ist ein Trittwebstuhl. Oh! Das wird aber ein feiner Stoff! Damast! Und so ein schönes Muster!» Unwillkürlich war sie vorgetreten und strich mit den Fingerspitzen über das bereits fertige Gewebe. «Das ist eine ausgezeichnete Arbeit!»
    Die dicke Manon grinste breit und zufrieden. «Danke, meine Liebe. Tatsächlich ist das eine sehr gute Ware. Ein hauchdünner Damast mit einem Rosenmuster. Den werden sie uns aus der Hand reißen!»
    Danielle ging durch den Raum in die hintere Ecke, wo Gebba an einem weiteren, schmaleren Webrahmen saß. Sie beugte sich vor und streckte die Hand aus, um den Stoff zu befühlen – es war Seide   –, aber Gebba schlug ihr mit dem hölzernen Schwert auf die Finger. «Nicht berühren! Das ist viel zu fein für solche wie dich!»
    «Verzeih!» Mit einer Ruhe, die Gebba als Demut missverstand,wandte sich Danielle von ihr ab und wieder Manon zu. Drei Frauen arbeiteten gemeinsam an dem Trittwebstuhl, der gut fünf Ellen breit war, zu breit für eine allein. Sie reichten sich die Schiffchen zu, aber es war Manon, die die hölzernen Tritte mit den Füßen bewegte und damit das Muster bestimmte. Klack, klack! Die Schäfte hoben und senkten sich im Takt – klack, klack! Es waren Rahmen, durch deren Führungen die Kettfäden liefen, je mehr solcher Schäfte, desto komplizierter das Muster. Danach aber hatte man nur noch die Pedale in einem bestimmten Rhythmus zu bedienen, eine noch neuartige Verbesserung. Danielle erkannte zwar die Funktion, wäre aber nie in der Lage gewesen, so ein Muster auszurechnen und die Ösen entsprechend zu belegen. Die Manufaktur der Beginen war offenbar gut ausgestattet.
    «Rück einmal beiseite», sagte Manon zu Guilhelme, ihrer Gehilfin, die ganz rechts auf den Bank saß. «Möchtest du es einmal versuchen?», fragte sie Danielle.
    «Aber ich will doch das schöne Werk nicht verderben», entgegnete Danielle schüchtern.
    «Na, das wäre ja ganz furchtbar», spottete Manon und winkte. «Los, trau dich! Ist nicht so schlimm. Wenn es schiefgeht,
eh bèh
, dann webt man die Reihe eben wieder zurück. Na los!»
    Gehorsam raffte Danielle ihre Röcke und stieg in die Bank. Und ohne abzuwarten warf Manon flink das Schiffchen mit dem Faden durch die senkrechten Kettfäden hindurch. Die
scolana
in der Mitte gab es flink weiter. Doch Danielle verfehlte es. Es schoss einfach an ihr vorbei und
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