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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel
Autoren: Elisabeth Klee
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getrieben.»
    Danielle kämmte eine Weile weiter. Ihre Finger wurden leicht ölig und die Haut ganz weich.
    «Man bekommt davon Hände wie eine Prinzessin», sagte Philippa. «Ja», fügte Marthe hinzu, «und Muskeln wie ein Schmiedegeselle.» Es stimmte: Nach einiger Zeit wurden Danielles Arme schwer, und die Schultern begannen zu schmerzen. Die energischen Bewegungen mit den schweren Kämmen erforderten Kraft.
    Draußen hörte man Stimmen, die sich näherten. Alle schauten von ihrer Arbeit auf, als eine junge Frau über die Schwelle trat, reich und farbig gekleidet, von einer zweiten Frau gefolgt, beide offenbar Adlige.
    Danielle ließ die Kämme sinken und konnte nicht anders: Sie musste sie anstarren. Die erste Frau war fast noch ein Kind, vielleicht vierzehn Jahre alt, aber sie war der Inbegriff von Jugend, Gesundheit und Schönheit: Klein und zierlich, verfügte sie über honigblondes Haar, ein herzförmiges Gesicht mit kleinem Mund, eine perfekte Pfirsichhaut undhellbraune Augen. Ihr enggeschneidertes Brokatkleid betonte eine winzige Taille, hochgeschnürte weiße Apfelbrüstchen und den weichen kleinen Hügel ihres Bauches. Die beginnende Schwangerschaft hatte ihre Haut – wenn das überhaupt möglich war – noch zarter, fast durchscheinend gemacht. Und dabei strahlte sie eine solche Freundlichkeit und Unschuld aus, dass Danielle die junge Frau unwillkürlich anlächelte. Dasselbe taten auch alle anderen Beginen. Gebba sprang auf, eilte zu der neu Hinzugekommenen, umarmte sie auf das Herzlichste und küsste sie auf beide Wangen.
    «Mestra Laura! Welch eine Freude! Und Mestra Catherine!»
    Die zweite Frau stand etwas abseits. Sie sah Laura ähnlich, war aber älter und weit weniger auffallend. Ihr Blond spielte mehr in ein helles rötliches Braun, wie das von getrockneten Haselnüssen. Ihr Gesicht war flächiger, runder – recht hübsch auf den zweiten Blick. Doch war die eine wie ein sonniger Morgen am Fluss, so war die andere wie ein angenehmer Nachmittag, matter, ein wenig gewöhnlicher.
    Annik trat ein, atemlos, mit Zinnbechern und Krug.
    «Mestra Laura – eine Erfrischung? Frisches Brunnenwasser mit Rosensirup! Oder – ich hol euch auch gerne Wein, wenn ihr mögt!»
    Alle Frauen lachten und freuten sich, als sei ein Engel eingetreten. Und die junge Frau grüßte alle zurück. Sie sprach jede der Frauen mit Namen an und machte zu jeder eine persönliche Bemerkung. Dann fiel ihr Blick auf Danielle: «Oh, meine Liebe, du musst die Neue sein, die Italienerin, Danielle, nicht wahr? – Aber du bist ganz und gar nicht so, wie man mich hat glauben lassen.»
    Danielle nickte höflich und fragte sich beunruhigt, was der letzte Satz wohl zu bedeuten hatte. Wer hatte über siegeredet, und was sagte man von ihr? Konnte ihr das Gerede schaden oder sie gar ihren Platz in diesem Nest kosten?
    «Wie interessant! Ich würde so gern mehr von dir erfahren», plauderte die junge Frau weiter.
    Danielle war verlegen. «Ach, über mich gibt es wenig zu sagen», murmelte sie.
    «Eben», schnarrte Gebba eifersüchtig und zog Laura fort zu ihrem Webstuhl: «Schaut doch den neuen Stoff, den ich mache, ein Rautenmuster in zartem Krapp. Das wäre doch etwas für Euch!» Die zweite Frau folgte Laura wie ein Echo.
    «Wer ist sie?», fragte Danielle leise.
    «Laura ist unsere Gönnerin», sagte Guilhelme. «Sie ist die Frau von Mestre Marius de Vidal, einem Ratsherrn. Er ist sehr reich und vergöttert sie. Und sie unterstützt von seinem Geld unser Hospital und unsere Armenfürsorge. Die andere, das ist Mestra Catherine, ihre ältere Schwester.» Sie senkte ihre Stimme zu einem Raunen: «Unverheiratet und schon achtzehn – na ja   … Aber nun wird es ja bald etwas werden: Sie ist verlobt.»
    Laura hatte genug von dem Seidenstoff gesehen und kam zurück. Sie zog sich einen Schemel heran und setzte sich neben Danielle.
    «Darf ich dich etwas fragen?», sagte sie. Die anderen Frauen hatten ihre Arbeit wiederaufgenommen.
    Danielle nickte und hielt ihren Blick auf die Kämme mit der Rohwolle gesenkt.
    «Verzeih meine Neugier, bitte. Ist es wirklich wahr, dass du dein Gedächtnis verloren hast?»
    «Ja», gab Danielle zurück, schroffer, als sie es beabsichtigt hatte.
    «Sehr bequem!», rief Gebba aus ihrer Ecke. Catherine stand noch bei ihr und beobachtete Laura. Auch sie schien das Gespräch zu missbilligen.
    «
Pssst!
Das ist nicht freundlich, Gebba», kritisierte Manon.
    «Aber wahr», sagte Gebba trotzig. Laura beachtete sie
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