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Die Katze, die den Braten roch.

Die Katze, die den Braten roch.

Titel: Die Katze, die den Braten roch.
Autoren: Lilian Jackson Braun
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kniete sich auf seinen Sitz und fuhr verkehrt herum, um das zerfurchte, verdrießliche Gesicht anzustarren.
    Nach einer Weile richtete er einen Finger auf den alten Herrn, betätigte einen eingebildeten Abzug und rief: »Peng!«
    Maggie sagte: »Dreh dich um und setz dich hin, Leslie, und leg deinen Sicherheitsgurt an. Wir fahren gleich los.«
    Das Startsignal wurde gegeben, und die Prozession fuhr vom Bezirkshaus weg die Main Street hinauf, wo die Leute, die einkaufen gingen, am Straßenrand standen und ihnen zuwinkten. Dies war ein wichtiges Ereignis für Moose County. Die kommenden vier Stunden fuhren die Autos im Zickzack über Nebenrouten und wenig befahrene Straßen zu den zehn Bergwerken.
    Das erste Ziel war die Big B Mine, die Maggies Urgroßmutter gehört hatte und auch von ihr geführt worden war. Als die Prozession anhielt, öffneten sich alle Autotüren gleichzeitig, und die Passagiere strömten heraus und versammelten sich um die Bronzeplakette. Wie alle Bergwerke, so war auch dieses hier nur noch ein großes Stück Ödland, eingezäunt und mit Warnschildern versehen, und der einzige Überrest war ein etwa zwölf Meter hoher verwitterter Holzturm. Die stillen, einsamen Bergwerkshütten hatten etwas Geheimnisvolles, ja sogar etwas Unheimliches an sich.
    Maggie und der wichtigste Abgeordnete wurden vor der Bronzeplakette plaziert, und eine junge Frau vom Auto des Blumengeschäfts lief mit einem großen Kranz mit lila Bändern zu ihnen und hängte ihn auf den Pfosten, an dem die Plakette montiert war. Die Fotografen rauften sich um gute Blickwinkel, damit auch die Bergwerkshütte im Hintergrund auf dem Bild war.
    Dann hielt der Bezirksabgeordnete seine Ansprache über die stolze Vergangenheit von Moose County. Er sprach über die Tausende von Bergwerksarbeitern und ihre Familien, die hier gelebt hatten und gestorben waren, die Katastrophen, die sie erlebt hatten – Stolleneinbrüche, Explosionen, Aufstände –, ihre primitiven Dörfer mit den schäbigen Hütten, einer Schule mit nur einem Klassenzimmer, einer Kapelle und einem Geschäft, das dem Bergwerksbesitzer gehört hatte. Heute war nur noch die Bergwerkshütte aus dieser Zeit übrig geblieben. Er sprach ein wenig zu lang, und seine Zuhörer waren froh, als sie wieder in die Autos einsteigen konnten.
    Qwilleran dachte: Das war eine, jetzt sind es nur noch neun!
    Beim nächsten Bergwerk, das der Familie Harding gehört hatte, wurden weitere Fotos gemacht, ein weiterer Kranz aufgehängt, und ein anderer Politiker hielt eine Ansprache. Er sagte: »Anderswo gibt es die Niagarafälle, den Grand Canyon oder die Freiheitsstatue. Wir haben zehn Bergwerkshütten.«
    Ein Fotograf bat einen direkten Nachkommen, er solle den Finger aus dem Mund nehmen und versuchen zu lächeln, doch Leslie richtete nur den gekrümmten Finger auf den Mann und sagte: »Peng!«
    Den Rest des Nachmittags hielt Qwilleran in seinem persönlichen Tagebuch fest:
    Nach den ersten fünf Stationen waren alle direkten Nachkommen fotografiert worden und hatten das Interesse an der Sache verloren, aber sie saßen in der Falle – genau wie die anderen Würdenträger. Die Fotografen des Bixby Bugle und Lockmaster Ledger hatten alles Material, das sie brauchten und fuhren heim. Die Fernsehleute fuhren zum Flughafen zurück, nachdem sie aufgenommen hatten, was sie für berichtenswert hielten: Amanda mit ihrer gewohnt mürrischen Miene und ihrem Vogelscheuchen-Outfit, Burgess mit seinem Kilt und Alexander.
    Die Ansprachen wurden kürzer – und die Zuhörer weniger. Homer Tibbitt weigerte sich, noch einmal aus dem Auto auszusteigen, und Leslie traktierte ihn weiter, indem er mit dem gekrümmten Finger auf ihn zielte und »Peng!« sagte.
    »Junge, wenn du das noch einmal tust«, kreischte Homer mit seiner hohen Stimme, »zieh ich dir mit meiner Krücke eins über!«
    Seine Frau sagte: »Er hat gar keine Krücke, Leslie, mein Süßer. Warum setzt du dich nicht nach vorn zum Fahrer; dann kannst du durch die Windschutzscheibe auf Schafe und Kühe schießen.«
    »Danke, Rhoda«, murmelte ich. »Wie lieb von dir!«
    Also fuhr Leslie neben mir auf dem Beifahrersitz, und ich glaube, ich habe ihn genervt, indem ich ihn fragte: »Was für eine Munition verwendest du? Hast du denn auch einen Waffenschein? Seit wann bist du denn Mitglied bei der NRA?«
    Nach einer Weile klopfte er auf meinen Arm und flüsterte mir etwas ins Ohr. »Was?« Er flüsterte wieder. Da waren wir – am Ende der Welt –, meilenweit
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