Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Katze, die den Braten roch.

Die Katze, die den Braten roch.

Titel: Die Katze, die den Braten roch.
Autoren: Lilian Jackson Braun
Vom Netzwerk:
Barry Morghan aus Chicago als Geschäftsführer eingesetzt.
    »Sind Sie auf den Großen Sturm vorbereitet?«, erkundigte sich Qwilleran.
    »So gut wie möglich. Er wird schon nicht so schlimm sein, wie die Leute sagen. Hier neigt man ja leicht zu Übertreibungen.«
    »Er ist so schlimm – und noch viel schlimmer. Aber wenn man es schafft, die ersten drei Tage zu überleben, hat man gewonnen. Die Bezirksverwaltung besitzt eine Flotte von Schneeräumgeräten, die mit der Tankerflotte eines griechischen Reeders vergleichbar ist – dank dem Klingenschoen-Fonds.«
    »Super! Haben Sie ein paar Minuten Zeit?«
    Sie gingen in einen als Leseraum eingerichteten Alkoven in einer ruhigen Ecke des Foyers, in der Nähe des lebensgroßen Porträts von Ann Mackintosh Qwilleran.
    »Was gibt es?«, fragte Qwilleran.
    »Mein Bruder und seine Frau sind hier. Sie wollen mit dem Haus fertig sein, bevor der Schnee kommt… Hören Sie nur, ich rede schon wie ein Einheimischer!«
    »Wo wohnen sie?«
    »Sie haben eines dieser großen, alten Häuser in der Pleasant Street gekauft. Fran Brodie richtet es ihnen ein. Und die Praxis wird demnächst eröffnet. Sie wird ›Dermatologische Klinik, Moose County‹ heißen. Meine Schwägerin ist ja Künstlerin. Sie macht Batikwandbehänge, und Fran verkauft die Sachen für sie.«
    »Interessant!«, sagte Qwilleran. »Kann ich irgend etwas tun, um ihnen den Start zu erleichtern?«
    »Also, ehrlich gesagt, ja«, sagte Barry. »Als ich neu hier war, haben Sie mir ein paar tolle Ratschläge gegeben, wie man mit den Bewohnern einer Kleinstadt auskommt, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihnen das auch erklären könnten.«
    »Aber gerne.«
    »Vielleicht könnten wir uns einmal zum Abendessen in meiner Wohnung treffen. Küchenchef Wingo würde für das Essen sorgen, und wir wären ungestörter als in einem Restaurant.«
    »Super!«, willigte Qwilleran ein.
    Es war noch immer zu früh, um zum Bezirksgebäude zu gehen; also schlenderte Qwilleran zum Antiquariat. Es befand sich hinter dem Postamt, in einer Seitenstraße, die die Gründerväter der Stadt in ihrer Weisheit ›Seitenstraße‹ genannt hatten. Sie war kaum mehr als ein Gäßchen, nur einen Häuserblock lang und grenzte im Norden und im Süden an belebte Durchfahrtsstraßen. In der Mitte des Häuserblocks kauerte ein steinernes Gebäude aus Feldspat, der in der Sonne glitzerte; es ähnelte einer Grotte. Kein Wunder, daß es bei den Touristen die beliebteste Sehenswürdigkeit war. Das Haus war ursprünglich eine Schmiede gewesen, doch der Enkelsohn des Schmieds führte darin seit über 50 Jahren ein Antiquariat, und zur Feier des 50-jährigen Bestehens seines Geschäfts hatte die Stadt Pickax die Straße in ›Book Alley‹ umbenannt.
    Der Laden hieß Edds Editionen. Qwilleran trat ein und blinzelte, um sich vom Sonnenschein draußen auf die Düsternis drinnen umzustellen. Er blieb stehen und sog den vertrauten Duft nach alten Büchern aus feuchten Kellern, Muschelsuppe, die sich der Buchhändler zum Mittagessen aufwärmte, und übriggelassenen Sardinen im Katzenschüsselchen ein. Ein großer, staubgrauer langhaariger Kater beaufsichtigte die Räumlichkeiten und staubte mit seinem buschigen Schwanz die Bücher ab. Er kannte Qwilleran.
    »Guten Morgen, Winston«, sagte Qwill. »Ich wette, ich weiß, was du zum Frühstück gegessen hast.«
    Eddington Smith hörte die Stimme und kam aus dem Hinterzimmer, wo er seine Geräte zum Buchbinden aufbewahrte und wohnte. Qwilleran war einmal in diesem Raum gewesen, als er eine Kolumne über das Buchbinden geschrieben hatte, und er erinnerte sich noch an die schmale Pritsche des Mannes, an den zersprungenen Spiegel über der Waschschüssel, das altmodische Rasierzeug, den zweiflammigen Gaskocher, die große Schachtel Streichhölzer – und an eine kleine Pistole.
    Eddington war ungewöhnlich schmächtig und schrumpfte mit dem Alter noch. Sein Haar war grau; seine Haut war grau und blaß; und seine farblose Kleidung paßte perfekt zu den grauen Umschlägen der alten Bücher, die auf Tischen, Regalen und auf dem Fußboden gestapelt waren.
    »Mein bester Kunde!«, rief er, nachdem er seine Brille zurechtgerückt hatte und Qwilleran erkannte. »Ich habe etwas ganz Besonderes für Sie gefunden.« Er eilte in sein Allerheiligstes zurück.
    Es befand sich noch ein Kunde im Laden – ein Fremder mit einer Taschenlampe, der auf einer wackeligen hölzernen Trittleiter sein Leben riskierte.
    Qwilleran dachte: Der Mann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher