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Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen (German Edition)

Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen (German Edition)

Titel: Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen (German Edition)
Autoren: Benedikt Herles
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naturwissenschaftlicher Exaktheit, feiern ihre anspruchsvollen Modelle und verfehlen die Realität. Die Methodik bestimmt den Inhalt. Akademische Journale lesen sich wie Formelsammlungen. Politische und soziale Antworten sind hingegen aus den Elfenbeintürmen der Kaderschmieden kaum noch zu erwarten.
    Angekommen auf der Karriere-Überholspur, galt der Spruch »Head down and deliver« – »Schnauze halten und abliefern, was verlangt wird«. Der Nachwuchs wird gefügig gemacht. Ich erlebte, wie jede Kreativität aus jungen Universitätsabsolventen herausgepresst wird. »Out of the Box Thinking«, das Verlassen gewohnter Denkmuster, wird zwar offiziell großgeschrieben, doch tatsächlich weder gelehrt noch gelebt.
    Dieses System bringt Manager hervor, die so wenig Unternehmer sind wie Dieter Bohlen ein Diplomat. Statt von Mut und Ideen beflügelt, sind viele deutsche Führungskräfte vor allem durch eines getrieben: Angst. Ihre Entscheidungen zielen darauf ab, Fehler zu vermeiden, statt Neues zu wagen. Ihre wichtigste strategische Maxime lautet: »Cover your ass!« Dem langen Erfolgsmarsch Chinas begegnen sie mit Risiko-Aversion und persönlicher Absicherung. CEO s betrachten sich selbst gerne als » Change Agents«, als Treiber der Veränderung, doch in Wahrheit sind sie meist das Gegenteil, nämlich Advokaten des betriebswirtschaftlich optimierten Status quo. Sie sind ökonomische Fossilien einer Zeit vor der Krise.
    Innovativ sind die Technokraten-Manager nur bei der Gestaltung ihrer PowerPoint-Folien. Kritische Urteile vertrauen sie Unternehmensberatern an, um selber keine Verantwortung tragen zu müssen. Deren Lösungsansätze und Denkmuster wiederum bewegen sich in den engen Grenzen einer inspirationslosen betriebswirtschaftlichen Logik. Ihr teures Produkt ist nicht etwa brillanter Rat, sondern schlicht das gute Gewissen ihrer Kunden. Schwierige und schmerzhafte Entscheidungen tragen besser den Stempel von McKinsey, Roland Berger und Kollegen. So lassen sie sich leichter verteidigen. Die scheinbar wissenschaftlichen Methoden der Consultants gaukeln die Beherrschbarkeit einer komplizierten Welt vor.
    Nichts scheint sich seit Beginn der Krise in den Köpfen der Bosse verändert zu haben. Kreativität, Reflexion und Weitblick gehören auch weiter nicht zum »Skillset« der grauen Management-Karrieristen. Kein Wunder, denn es sind Fähigkeiten, die nicht gefragt sind auf dem Weg an die Spitze. Austauschbare Lebensläufe und ausgefahrene Karriere-Pfade zeichnen die Vorstände unseres Landes aus. Nach oben kommen immer die gleichen Charaktere. Alle Macht den persönlichen Netzwerken! Die Ehemaligen von McKinsey, Goldman Sachs, Harvard Business School und anderen großen Adressen kontrollieren Staaten, Konzerne, Finanzimperien und internationale Organisationen. Ihre Denkmuster und Werte prägen unsere Ökonomie und Gesellschaft.
    Die Kritik am ungezähmten Kapitalismus wächst derweil auf breiter Front. Selbst Konservative und bürgerliche Intellektuelle schlagen Alarm. »Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat«, gibt Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, zu. »Im bürgerlichen Lager werden die Zweifel immer größer, ob man richtig gelegen hat, ein ganzes Leben lang.« 2 Doch der Aufschrei der Wut-Bürger und Feuilletonisten wird nicht viel ausrichten. Denn was bringt eine ausführliche Diskussion über Gier und Moral, solange sich in den Banken, Unternehmensberatungen und Großbetrieben niemand darum schert?
    Die deutsche Wirtschaft ist im internationalen Vergleich sehr gut durch die Schuldenkrise gekommen. Aber nicht weil es in unserem Land besonders geistreiche Konzern- und Finanz-Strategen gibt, sondern weil jede Menge bodenständige und verantwortungsvolle Unternehmer täglich den Schwankungen und Hysterien der Weltmärkte trotzen. Das, was am Montagmorgen am Zugfenster vorbeizieht, würde auch der Occupy-Bewegung gefallen. Auf der Strecke zwischen Ulm und Stuttgart ist das Erfolgsgeheimnis unserer Volkswirtschaft zu bestaunen. Im »German Mittelstand« werden Werte noch gelebt.
    Action required! Wir müssen umdenken
    Während sich die halbe Welt Gedanken über die Zukunft der Marktwirtschaft macht, sorgen sich die meisten »Young Professionals« und Business-School-Absolventen mehr um ihren Lebenslauf als um globale Ungleichgewichte. Oft hörte ich in den letzten Monaten auch unter ihnen die Stimmen der Unzufriedenen. Laut zu widersprechen, wagten sie nicht. Die Krise
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