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Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen (German Edition)

Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen (German Edition)

Titel: Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen (German Edition)
Autoren: Benedikt Herles
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hat die Nachfrage nach Folienakrobaten massiv einbrechen lassen. Ihre Rechtfertigungsfunktion ist nicht mehr gefragt. Vor allem aber hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass aufwendige Strategiepräsentationen und der damit einhergehende Fokus auf Analyse und Planung das Innovationsklima einer Firma zerstören. »Keine verdammten PowerPoint-Folien!«, hören McKinsey und Konsorten immer öfter von ihren Mandanten. Einige Anbieter haben deshalb reagiert und bieten nun auch spezielle »Customer Creativity Workshops« an. Allerdings mit mäßigem Erfolg. Manche Berater machen sogar damit Werbung, dass Kunden und Mitarbeiter ihrer Klienten im Schnitt viermal zufriedener sind als die der Konkurrenz.
    Insgesamt sind die Chefetagen deutlich bunter geworden. Nicht nur Frauen und internationale Führungskräfte sind dort nun häufiger zu finden. Vor allem ist die Anzahl der Quereinsteiger gestiegen. In den DAX -Vorständen finden sich jetzt auch Geisteswissenschaftler und ehemalige Unternehmer. Unterschiedliche Perspektiven werden nicht nur auf dem Papier geschätzt, sondern auch in der Realität gesucht. Bei den Nachwuchs-Managern sind Standardlebensläufe deshalb immer seltener. Wer sich von der Masse an angepassten High Potentials abheben kann, hat gute Chancen, Karriere zu machen. Querköpfe und Menschen mit der Fähigkeit, vernetzt zu denken, sind die Gewinner des neuen ökonomischen Zeitgeistes.
    Marktwirtschaft reloaded
    Ein naiver Traum? Ganz sicher. Wird es so kommen? Ganz sicher nicht. Und dennoch: Ein verändertes gesellschaftliches und ökonomisches Umfeld wird Veränderungen erzwingen. Denn Digitalisierung, Globalisierung und eine Welt nach der großen Finanzkrise verlangen nach neuen Denk- und Handlungsmustern der ökonomischen Eliten.
    Auf den Shareholder-Kapitalismus der letzten 30 Jahre muss ein kunden- und mitarbeiterorientierter Kapitalismus des 21. Jahrhunderts folgen. Seine Implementierung ist eine gigantische Aufgabe. Er ist nicht mehr und nicht weniger als ein neues ökonomisches Ökosystem. 230 Im Zentrum der neuen ökonomischen Geisteshaltung stehen Menschen, keine Zahlen. Ihre Logik dreht sich um das Wohl der Gesellschaft, nicht um die Gier Einzelner. Manager, deren Augenmerk sich auf den Nutzen der Verbraucher und Angestellten richtet, nicht auf das Erwirtschaften immer größerer und schnellerer Gewinne, müssen generell anders denken und handeln. Intelligente Führungskräfte sehen in motivierten Mitarbeitern den entscheidenden Erfolgsfaktor. Deren persönlicher Einsatz, Kreativität und Unternehmergeist sind die wichtigsten Ressourcen auf dem Weg zum kundenzentrierten Unternehmen. Sie gilt es zu hegen und zu pflegen, so wie alle anderen begrenzten Ressourcen auch.
    Wer sich allzu sehr auf Effizienz und Optimierung konzentriert, der hat heute schon verloren. Die richtige Devise lautet: Entdecken geht über Verwerten. Nachhaltiges Wirtschaften, rasiermesserscharfe Alleinstellungsmerkmale und einzigartiger Kundennutzen sind der Schlüssel zum Erfolg. Wer sich besonders gut um seine Abnehmer kümmert, dessen Aktionäre werden langfristig überdurchschnittliche Renditen erhalten. Das Gegenteil ist falsch: Wer nur an seine Aktionäre denkt, wird Kunden kaum überzeugen können, und die Anteilseigner machen letztlich ein schlechtes Geschäft. 231
    Ein kunden- und mitarbeiterorientierter Kapitalismus schafft eine Wirtschaft, wie wir sie uns wünschen. Er setzt neue Prioritäten und steht deshalb für Verantwortlichkeit, Menschlichkeit und Unternehmertum gleichermaßen. Seine Philosophie ist ganz und gar nicht neu. Und doch würde er unsere Ökonomie auf den Kopf stellen – weil er die Rendite entmachtet, sie degradiert zum gewollten Nebenprodukt, ganz so, wie es dem Geist der Marktwirtschaft im Kern entspricht. Die wirtschaftlichen Eliten stehen vor der Wahl: Weitermachen wie bisher und dabei noch mehr Vertrauen verspielen oder die Zeichen der Zeit erkennen und das legitime Gewinnstreben neu gestalten.
    Von den gestressten Unternehmensberatern, die am Donnerstagabend müde am Münchner Flughafen landen, haben leider nur die wenigsten Zeit, von einer anderen Wirtschaft zu träumen. Sie kalkulieren und prognostizieren, optimieren und analysieren weiter. Sie versuchen mitzuhalten im sich immer schneller drehenden Hamsterrad der globalen Technokraten-Ökonomie. Nur wenige haben verstanden: Abspringen lohnt sich. Für uns alle.
    [226] ARD Deutschlandtrend, Infratest dimap-Umfrage vom Februar 2012.
    [227]
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