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Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen (German Edition)

Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen (German Edition)

Titel: Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen (German Edition)
Autoren: Benedikt Herles
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Consultants kennen. Doch vor allem soll der Spaß nicht zu kurz kommen. Abends, nach getaner Arbeit, geht es in die feinsten Restaurants und die edelsten Clubs der Stadt. Drinks for free – wer hart arbeitet, darf auch feiern. Immer dabei: erfahrene, sympathische Berater, die für sich und ihre Firma kräftig die Werbetrommel rühren. Leicht könnte man den Eindruck gewinnen, tatsächlich wertvolles »Humankapital« zu sein.
    Besonders begehrt scheinen kreative Köpfe und Querdenker zu sein. In der Strategieberatung finden sich die verschiedensten Lebensläufe. Von der »Kraft unterschiedlicher Perspektiven« ist auf den Websites der Unternehmen zu lesen. 65 Und die Personalabteilungen locken mit noch viel mehr guten Argumenten: abwechslungsreiche Projekte, internationale Einsätze, junge und motivierte Kollegen, eine steile Lernkurve, ständiges Coaching und natürlich ein kaum zu überbietendes Gehalt. Gerade die, die sich noch nicht auf ein klares Berufsziel festlegen wollen, scheinen bei McKinsey und Konsorten gut aufgehoben. Klar, auch ich hatte davon gehört, wie hart in den Unternehmensberatungen gearbeitet würde, wie belastend das viele Reisen und der ständige Druck durch Kunden und Partner seien. Doch jeder interessante Beruf ist auch fordernd. Wer etwas erreichen will – egal wo –, muss Leistung bringen. Ich war das ideale Opfer für die Marketing-Spezialisten der Rekrutierungs-Abteilungen.
    Als ich nach zwei Jahren wissenschaftlichen Arbeitens meine Doktorarbeit abgegeben hatte und an einem Montagmorgen in aller Frühe zum Münchner Flughafen musste, konnte ich sie sehen, die dynamischen Gestalter mit ihren Rollkoffern und Laptoptaschen auf dem Weg in den Einsatz. Auf dem roten Teppich vor dem Lufthansa-First-Class-Schalter standen die smarten Jungs, die kaum älter waren als ich. Sie brachen wieder auf, um in internationalen Konzernen große Räder zu drehen. Da stand mein Entschluss fest: Ich wollte einer von ihnen werden.
    In die Falle getappt
    Sorgfältig hatte ich mich mit Büchern und Trockenübungen auf die Bewerbungsprozesse vorbereitet. Das Auswahlverfahren der Unternehmensberatungen ist kompliziert. Kandidaten müssen unter Zeitdruck Mini-Fallstudien lösen und in Kopfrechen- und Denksportübungen (sogenannten Brain Teasern) mathematische Intelligenz und eine schnelle Auffassungsgabe beweisen. 66 Nach zwei Versuchen bei kleineren Firmen hatte ich nur Absagen kassiert. »Nicht strukturiert genug«, lautete in beiden Fällen die Begründung. Doch die ersten Gespräche bei einem der großen Branchennamen verliefen anders.
    »Willkommen an Bord«, sagte der Partner am Ende des letzten Interviews und legte einen Arbeitsvertrag vor mir auf den Tisch. Zwei Tage lang hatte ich die unterschiedlichsten Aufgabentypen lösen müssen: Wie würden Sie die Restrukturierung einer defizitären Bahngesellschaft planen? Wie viele Varianten der 3er-Reihe sollte BMW auf den Markt bringen? Was unterscheidet die Bilanz eines Rohstoffkonzerns von der eines Handelsunternehmens? Die mündliche Abiturprüfung ist ein Klacks dagegen. Doch schließlich wurde ich nur noch gefragt: »Welche Angebote haben Sie sonst noch?« und »Was können wir machen, damit Ihnen die Entscheidung für uns leichter fällt?«. Ich war am Ziel.
    Einige Monate später begann mein neues Leben. Am ersten Arbeitstag wurde ich mit Blackberry und Laptop ausgerüstet, die Standardwaffen der Profit-Agenten. In der Einführungswoche stellten sich die verschiedenen Abteilungen meines neuen Arbeitgebers vor. Es gab jede Menge Kanapees und dazu Antworten auf die wichtigsten Fragen des Berateralltags. Dann war Schluss mit lustig. In der zweiten Woche reiste ich zu meinem ersten Projekt. Es ging an die Front.
    Was danach folgte, war alles andere als eine aufregende Ausbildung zum kreativen Gestalter. Mich erwartete nicht die »integrierende und hierarchiefreie Arbeitsatmosphäre«, mit der die einschlägigen Firmen gerne für sich werben. 67 Meine Arbeit hatte auch nichts von »einmischen, mitmischen, verändern«. 68 Im Gegenteil. Einmal erfolgreich rekrutiert, ist Köpfchen nicht mehr gefragt. Junge Berater müssen Excel und PowerPoint beherrschen, sonst nichts. »Building Global Leaders« und »Denken ist Handeln« – der echte Projektalltag sieht anders aus.
    »Lehrjahre sind keine Herrenjahre«, lautet ein treffendes Sprichwort. Doch die ersten Monate in der Unternehmensberatung sind nicht nur fremdbestimmt, sondern vor allem entfremdend. Tag und
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