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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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war alles gesagt. „Ich muss fahren“, sagte sie, während sie sich erhob. Sie ging um den Tisch herum auf ihn zu und gab ihm die Hand. Er blieb sitzen. Das hatte er noch nie getan. Luciano hatte ausgesucht gute Umgangsformen. Seine Hand fühlte sich lasch und kalt an. Vielleicht ist er ja viel kränker, als er zugeben will. Vielleicht lebt er nicht mehr lange, hoffte Marion insgeheim.
    „Alles Gute für dich“, sagte sie und dachte das Gegenteil. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um, um mit forschem Schritt sein Haus zu verlassen. Auf sie wartete eine große Zukunft, sein Leben lag hinter ihm.
    Nachdem die Haustür ins Schloss gefallen war, stand der Italiener auf und ging zur Fensterfront. Immer noch kerzengerade steuerte die Politikerin ihr Auto an. Der knallrote, enge Hosenanzug betonte ihre Klasse. Bei den meisten Frauen würde er geschmacklos wirken. Bei ihr nicht. Mit Bedauern dachte er, ich werde sie trotzdem töten lassen. Es geht nicht anders. Während er sich Gedanken machte, wen er mit dem delikaten Auftrag betrauen sollte, drehte sich Marion zu ihm um. Sie hob die rechte Hand zu einer Geste des Abschieds. Auf ihren Lippen lag ein verstecktes Lächeln. Sie ist schön, dachte Luciano. Schön und stark. Sie würde dem Land guttun.
    In Gedanken versunken ging er zu seinem Platz zurück. Niemand hatte mitbekommen, was zwischen ihnen gelaufen war. Die Omertà würde Marion niemals brechen. Sie teilten Geheimnisse, von denen kein Mensch in diesem Land etwas wusste, auch nur im Entferntesten ahnte. Er wusste, er konnte sich auf sie verlassen. Und dennoch konnte er ihr Verhalten nicht dulden. Sie war der einzige Mensch in seinem vierundsechzigjährigen Leben, der ihm die Stirn geboten hatte. Noch nie hatte das jemand gewagt. Vielleicht war das einer der Gründe, weshalb er sie bewunderte. Ihr Mut, ihre Stärke und ihre entschlossene Zielstrebigkeit imponierten ihm. Es war schade um sie, verdammt schade. Er würde dafür sorgen, dass es schnell ging und sie nicht leiden musste. Nachdenklich nahm er das Handy in seine Hand und wählte eine gespeicherte Telefonnummer in Palermo.

64
P ANAMA
E NDE M AI 2012
    Ich mochte die Stadt, obwohl es einiges gab, was gegen sie sprach. Die Hitze, der Staub, der Lärm, das Verkehrschaos. Auch die gigantischen Ausmaße des Bankenviertels von Panama mit seinen riesigen Wolkenkratzern wirkten auf mich abstoßend. Und gleich daneben eine heimelige Altstadtatmosphäre und lateinamerikanisches Lebensgefühl. Die Mischung fand ich trotz allem faszinierend
.
    Lange würde ich in der quirligen Millionenstadt nicht mehr bleiben. Der Immobilienmakler, den ich gleich nach meiner Ankunft beauftragt hatte, einen Bungalow am Strand von Bocas del Toro für mich zu erwerben, hatte mich heute Morgen angerufen. Ein Objekt, für meine Bedürfnisse wie geschaffen und unweit des Nationalparks gelegen, stand nach dem Tod des Vorbesitzers zum Verkauf. Der Kaufpreis war moderat, so wie die Preise in diesem Land durchwegs moderat waren, wenn man einmal von den astronomischen Bankgebühren absah. Ein Konto zu eröffnen, war schwierig geworden, die Auflagen streng, die bürokratische Bearbeitung langwierig. Der permanente Druck der USA auf die Regierung von Panama zeigte Wirkung
.
    Der Broker der Handelsbank in Panama hatte die Hände weit aufgehalten, um trotz der strengen Vorschriften eine komplikationslose Abwicklung meiner Finanztransaktionen zu gewährleisten. Aber was sind 10.000 $, sagte ich mir, wenn man über ein Guthaben von 2,2 Millionen $ verfügt. Um diesen Betrag und weitere zweihunderttausend Euro, sicher deponiert in einem Schließfach einer Züricher Bank, hatte ich Milner betrogen. Beim Gedanken an Ralf Schlenkermann, der wegen der unbezahlten Rechnungen für erbrachte Bauleistungen vermutlich in heller Panik war, fühlte ich Genugtuung
.
    Die Verständigung mit dem Broker der Handelsbank in Panama war schwierig gewesen, sein Englisch kaum zu verstehen. Da ich beschlossen hatte, mein künftiges Leben in diesem Land zu verbringen, würde ich wohl oder übel Spanisch lernen müssen. Mit Englisch kam man hier nicht weit und Deutsch galt als exotisch. Dank der Spanischlehrerin, bei der ich fast täglich Unterricht nahm, konnte ich mich inzwischen einigermaßen verständigen. Doch das reichte mir nicht, ich wollte die Umgangssprache des Landes beherrschen, in dem ich künftig leben würde
.
    Ich steuerte eine Bodega an, bestellte ein Glas Weißwein mit Tapas und beobachtete das
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