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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin
Autoren: Helena Marten
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Gegensatz zu seinem Aussehen und Verhalten. Er hatte seinen Dreispitz abgenommen, sodass seine wenigen flaumigen Haare in alle Himmelsrichtungen abstanden, und hielt die Hände über das Herdfeuer, um sie zu wärmen. Seine Stiefel hatten eine lange Dreckspur auf den Holzplanken hinterlassen. Er blickte ihr nicht ins Gesicht, sondern schaute immer wieder misstrauisch zu den Würfelspielern hinüber, als würde er dort einen weiteren Hort der Unruhe vermuten.
    Er muss neu sein, überlegte Johanna, sie hatte ihn noch nie zuvor gesehen.
    »Mein Herr, das muss ein Irrtum sein! Hier ist niemand, auf den diese Beschreibung zutrifft«, sagte sie und lächelte den Mann unschuldig an.
    »Das kann doch wohl nicht wahr sein!«, tönte es in dem Augenblick laut vom Tisch der Würfelspieler. »Niemand kann solch ein Glück haben!«
    O Gott, der Neffe des Schultheißen!, erkannte Johanna. Schon spürte sie, wie ihr das Lächeln auf den Lippen gefror.
    Justus von Zimmer war ein stadtbekannter Nichtstuer, aber aus bester Familie. Er hatte ein durchschnittliches Gesicht mit einer großen Kartoffelnase, an dem außer den herausfordernd schauenden Augen nichts auffällig war. Sie strahlten etwas Kühnes aus oder vielmehr das Versprechen von Kühnheit, denn Johanna hatte noch nie erlebt, dass der junge Patrizier überhaupt etwas tat außer Herumschwätzen, Wein und Kaffee trinken und Karten spielen. Er zählte zu den Stammgästen der Coffeemühle , doch man wusste nie, in welcher Stimmung er gerade war, einmal mehr, wenn er etwas getrunken hatte, was um diese Uhrzeit durchaus schon vorkommen konnte. Immerhin zeichnete er sich dadurch aus, dass er keinerlei Standesdünkel zu besitzen schien.
    Als auf seinen Ausruf keiner von seinen Spielkumpanen reagierte, sondern alle nur wie gebannt auf Johanna und den kükenflaumigen Polizisten starrten, erhob er sich von seinem Platz. Er zwinkerte Johanna verschwörerisch zu und rief gebieterisch:
    »Ihr seht doch, dass hier niemand ist, auf den eure Beschreibung zutrifft! Es war auch niemand da. Ihr solltet euch lieber um die Diebe in dieser Stadt kümmern, als anständigen Leuten hinterherzuspionieren!«
    Mit dramatischer Geste schleuderte er eine Handvoll Würfel auf den Tisch.
    Der Polizist mit dem Kükenflaum auf dem Kopf zeigte keinerlei Regung bei den Worten des jungen Mannes. Nichts ließ erahnen, dass er erkannte, wer der Würfelspieler mit der stutzerhaften Perücke und dem prächtigen Anzug war.
    Der zweite Pikett, ein Mann mit stumpfem Gesicht und einem herabhängenden Schnurrbart, war hinter dem Kartenmacher stehen geblieben und tat, als ob ihn all das nichts anginge. Zum Ärger von Ludwig Haldersleben, für den die Lektüre seines Journals einer heiligen Tätigkeit gleichkam, der er jeden Tag mit äußerster Andacht nachging, versuchte der Polizist schon die ganze Zeit, in seiner Zeitung mitzulesen.
    Der Kükenflaumige wandte sich nun an den Pulvermühlenbesitzer und seinen Sohn, als ahnte er, dass aus diesen beiden am ehesten etwas herauszukriegen wäre. Der Junge begann prompt zu zittern. Doch der alte Kaufmann war nicht so leicht einzuschüchtern.
    »Wir haben auch niemanden gesehen, auf den Ihre Beschreibung passt.«
    Seine Stimme klang kühl. Er nahm die Untertasse vor ihm auf dem Tisch in die Hand und pustete vornehm auf den Kaffee, den er zuvor daraufgegossen hatte, um ihn abkühlen zu lassen. Dann nahm er mit abgespreiztem kleinem Finger einen großen Schluck Kaffee.
    »Vielleicht liegt eine Verwechslung vor?«, schaltete sich nun Johanna wieder ein, bemüht, ihre Stimme hilfreich und eifrig klingen zu lassen.
    In Wirklichkeit war ihr ganz anders zumute. Am liebsten wäre sie einfach gegangen und hätte die anderen sich selbst überlassen. Solche Situationen waren einfach nichts für sie. Sie hatte es schon immer gehasst, in Bedrängnis zu geraten. Einmal mehr, wenn sie so tun musste, als wäre alles in bester Ordnung. Warum nur kam sie immer wieder in die Lage, sich selbst und ihr Hab und Gut verteidigen zu müssen? Konnte man sie nicht einfach in Ruhe lassen? Es war so schon schwierig genug, die Mädchen großzuziehen und das Kaffeehaus weiterzuführen. Wie oft hatte sie gedacht, sie müsste die Brocken hinwerfen, weil sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen war und das Geschäft in den Ruin trieb. Weil entweder zu wenige Kunden kamen oder zu viele auf einmal, weil die bestellten Kaffeelieferungen nicht eintrafen oder die Ware mangelhaft war, weil nicht einmal ihre Dienstboten sie
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