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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin
Autoren: Helena Marten
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daransetzten, sich persönlich einen Vorteil zu verschaffen. Nicht dass Johanna nun ständig versuchte, ihre Geschäftspartner über den Tisch zu ziehen, aber sie ließ sich nicht mehr so leicht etwas vormachen. Und wenn es gar nicht anders ging, kämpfte sie eben mit gleichen Waffen und warf all ihre moralischen Bedenken über den Haufen. Doch ein gutes Gefühl hatte sie nie dabei, wenn sie jemandem gegenüber nicht ehrlich war. Eines Tages würde sich das furchtbar rächen, fürchtete sie jedes Mal. Sie warf auch nun wieder einen schnellen Blick gen Himmel, um sich davon zu überzeugen, dass keine dunklen Gewitterwolken aufzogen. Töricht, das wusste sie, aber trotzdem hielt sie an diesem abergläubischen Ritual fest.
    »Das war keine Tür!«
    Der Pikett mit dem langen Schnurrbart riss sich von Halderslebens Zeitung und Orden los und durchschritt die Gaststube.
    So viel zu ihrer Einbildung, sie könne gut lügen, dachte Johanna resigniert. Bevor sie ihm in den Weg treten konnte, hatte der Mann schon den Knauf zur Vorratskammer mit einem lauten Quietschen herumgedreht.
    Nun ist alles aus!, schoss es ihr durch den Kopf. Wenn man ihr bloß die Gerechtigkeit nicht wegnehmen würde!
    Mit zitternden Knien eilte sie hinter dem Mann, der sie einfach zur Seite geschoben hatte, in das Lager, um sich schützend vor Anne und Sybilla zu stellen.
    Doch die Speisekammer war leer. Die Stößel lagen ordentlich nebeneinander auf der langen Bank. Der gemahlene Kaffee war in eine große Schüssel gefüllt worden, aber nicht zugedeckt.
    Genießerisch sog der Schnurrbärtige den Duft der frisch gestampften Bohnen ein, wie kurz vor ihm die Kaffeeguckerin. Mit beiden Händen hob er die Schüssel dicht unter seine Nase.
    »Hm!«, seufzte er verklärt.
    »Wie Sie sehen, ist hier auch niemand, auf den Ihre Beschreibung zutreffen könnte.«
    Johanna hatte sich wieder gefasst. Ihre Angst vor dem Polizisten war verflogen. Er schien ihr überhaupt der nettere der beiden Männer zu sein. Sie meinte, ihn schon einmal bei einer der täglichen Paraden an der Hauptwache gesehen zu haben.
    »Lass uns im Hof gucken!«, schnarrte in dem Moment die helle Stimme des kükenflaumigen Piketts hinter ihr.
    Er war neu und übereifrig, vermutete Johanna. Selbst seine Uniform sah aus, als hätte er sie zum ersten Mal an.
    Der andere stellte widerwillig die Schüssel mit dem Kaffeepulver zur Seite, öffnete mit einem Ruck die klemmende Hoftür und streckte den Kopf hinaus.
    »Hier ist nichts.«
    Schwungvoll zog er die widerspenstige Tür wieder zu.
    Seinem Kollegen stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, als sie alle zurück in die Gaststube traten.
    »Mach den Herren eine Schale Kaffee!«, rief Johanna eilig dem erstaunten Schosch zu.
    Dieser löste sich endlich aus seiner Erstarrung, nahm einen der dicken Topflappen und griff nach der großen Messingkanne auf dem Herd.
    »Oder können wir Ihnen etwas anderes anbieten?«, fragte sie fröhlich an die Männer gewandt. »Schokolade, Tee oder einfach einen Würzwein? Es ist alles da!«
    Hoffentlich hatte man ihr ihre Erleichterung nicht angemerkt, dachte Johanna kurz. Sie wusste, dass sie jetzt eigentlich nichts mehr zu verlieren hatte. Wohin auch immer: Die beiden Mägde hatten die Kaffeeguckerin sicher in Verwahrung gebracht. Wahrscheinlich in ihre Schlafkammer hoch oben unter dem Dach. Dort würden die Polizisten wohl kaum nach dem Tassenweib suchen.
    Die beiden Männer schienen ihre Frage überhört zu haben, denn sie griffen gierig nach den bis zum Rand gefüllten Kaffeebechern, die Schosch ihnen entgegenhielt.
    »Aua, ist das heiß!«
    Fast hätte der Kükenflaumige seinen Becher fallen lassen. Seine Augenbrauen waren so dünn, dass sie sich kaum von seiner Gesichtshaut abhoben.
    »Ich an Ihrer Stelle würde darüber nachdenken, wer meine Feinde sind«, sagte der Schnurrbärtige nach einer Weile gemütlich. »Gegen Sie liegt nämlich eine Anzeige vor.«
    Wie ein Fisch bewegte er immer wieder seine Lippen vor und zurück, um den heißen Kaffee in seinem Mund zum Abkühlen zu bringen.
    »Wer hat mich denn angezeigt?«, fragte Johanna interessiert.
    »Das können wir Ihnen leider nicht sagen.«
    Dem Schnurrbärtigen schien die Sache nun wirklich unangenehm zu sein.
    »Aber wie kann ich mich gegen solche Anschuldigungen wehren, wenn mir nicht einmal gesagt wird, woher sie kommen?«
    Johanna musste sich zügeln, ihre Empörung nicht laut werden zu lassen. Wenn sie eines hasste, dann das Gefühl von
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