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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin
Autoren: Helena Marten
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hatte, dann wäre die Hölle los.
    Und nun war sie aller Wahrscheinlichkeit nach schwanger. Was sollte sie tun? Sich die Treppe hinunterstürzen? Stundenlang heiße Bäder nehmen? Mit einer Stricknadel in sich herumstochern? Sich mit voller Wucht gegen eine scharfe Tischkante werfen? Zu irgendeinem Kräuterweiblein gehen? All die Jahre über hatte sie sich so nach einem Kind gesehnt. Nun bekam sie vielleicht eins. Noch hatte sie niemandem davon erzählt, nicht einmal Gabriel.
    Den ganzen letzten Monat hatte ihre Stimmung zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt geschwankt. Mal hätte sie ihr Glück am liebsten aus voller Kehle herausgeschrien, dann wieder musste sie sich zusammenreißen, um nicht vor aller Augen in Tränen auszubrechen wegen der Hoffnungslosigkeit ihrer Situation. Immer wieder sagte sie sich, dass es keine gemeinsame Zukunft für sie beide geben würde, dann wieder fühlte sie sich, als schwebte sie über den Wolken. Unablässig kreisten ihre Gedanken um ihn, Gabriel, ihren über alles Geliebten.
    Johanna seufzte, als sie sah, wie Justus im Vorbeitanzen Margarethe eine Kusshand zuwarf. Das Mädchen strahlte über beide Wangen. Auch diese Liebe würde nicht gut ausgehen, dachte sie resigniert. Dafür war der Standesunterschied viel zu groß. Nie würde seine Familie in eine solche Ehe einwilligen.
    Warum musste die Liebe nur so kompliziert sein? Am Morgen ihrer Nacht mit Gabriel über den Dächern der Stadt hatte sie alle ihre Leute unter irgendeinem Vorwand aus dem Haus geschickt oder so beschäftigt, dass der Treppenturm frei war, damit sich der Geiger unbemerkt aus dem Haus schleichen konnte. Auf Zehenspitzen war sie dann vor Gabriel die Stufen hinunter geschlichen, um zu prüfen, ob die Luft auch wirklich rein war. Wie eine Neunjährige, die vor ihren Eltern etwas verbergen wollte, war sie sich vorgekommen. Dabei war es ihr Haus! In ihrem eigenen Haus schlich sie wie eine Einbrecherin auf Zehenspitzen herum! Sie hatte auf jedes Geräusch gehört und war immer wieder zusammengezuckt. Und fast wäre Gabriel Schosch in die Arme gelaufen, der sein Samtbarett in der Schlafkammer vergessen hatte und noch einmal nach oben gerannt war. Zwar meinte sie, Schosch und den Mägden vertrauen zu können, aber sie wollte einfach kein Risiko eingehen. Immer wieder hatte sie an den Criminalreferier mit dem Inquisitorenblick gedacht. Diese Heimlichtuerei in ihren eigenen vier Wänden, das ständige Versteckspielen vor den Kindern und den Dienstboten, vor ihren Freunden, ja selbst vor Elisabeth – das hatte alles keine Zukunft! Das hatte sie immer geahnt und sich deshalb mit allen Kräften gegen diese Liebe gewehrt. Dann war sie schwach geworden, und nun saß sie in der Patsche.
    A m folgenden Morgen dämmerte es bereits, als Johanna erwachte. Sofort stieg ihr der durchdringende Duft von frisch gekochtem Kaffee in die Nase. Wer war denn da schon wieder vor ihr aufgestanden? Sie hörte, wie die Läden aufgeklappt wurden. Jemand klapperte mit den Töpfen, Stühle wurden gerückt, und eine Männerstimme begann zu singen.
    Schnell schlüpfte sie in ihre Kleider. Ihre Blutungen waren noch immer nicht gekommen, doch sie nahm sich vor, nicht mehr ständig nachzugucken. Das machte sie nur verrückt. Am Vortag war sie mindestens zehnmal aus der Gaststube weggerannt, um in ihrem Zimmer nachzuschauen, ob die Blutungen endlich eingesetzt hatten. Bis Margarethe sie irgendwann entnervt gefragt hatte, was denn eigentlich mit ihr los sei, sie würde sich ja benehmen wie jemand, dem man etwas in den Kaffee geschüttet hätte.
    Als sie nach unten kam, stand Justus singend am Herd und röstete in einer riesigen Pfanne Maronen. Er hatte sich Elisa beths Schürze umgebunden und wedelte albern mit dem Zipfel herum. Er machte kleine Tanzschritte, und ab und zu rüttelte er rasselnd die Maronen im Takt. Margarethe saß lachend auf einem Hocker neben dem wärmenden Herdfeuer, eine Kaffeemühle zwischen die Knie geklemmt. Das Feuerholz war frisch geschlagen und hatte nicht lange genug gelegen, sodass die Stube ungewohnt verqualmt war. Um den Qualm etwas erträglicher zu machen, hatte wohl Margarethe die Sandelhölzer auf den Ofen gelegt, die Henriette Schley ihnen aufgedrängt hatte, um ihre enge Beziehung zu dem angesagtesten Kaffeehaus von Frankfurt unter Beweis zu stellen.
    »Guten Morgen!«, riefen Justus und Margarethe ihr fröhlich entgegen.
    »Guten Morgen«, erwiderte Johanna lahm und blickte Justus fragend an.
    »Justus hat
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