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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin
Autoren: Helena Marten
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nachdem Gottfrieds Leiche aufgetaucht war. Und nun musste sie damit rechnen, demnächst die Apothekergilde am Hals zu haben! Einmal ganz zu schweigen von ihrem anderen Kummer. Schon wieder war ihr leicht flau im Magen. Aber vielleicht lag das auch nur daran, dass sie noch nichts gegessen hatte? Schnell nahm sie sich eine Handvoll Maronen aus der Pfanne und knackte die Schalen auf. Ob sie jetzt gleich zum Dachdecker laufen sollte?, überlegte sie, während sie zuschaute, wie die auf einer Kaffeebohne herumkauende Anne die Tische mit einem großen Lappen abwischte. Und ob sie die Gelegenheit nutzen sollte, einen Abstecher nach Rumpenheim zu machen, wenn sie sowieso schon einmal unterwegs war? Sie wollte Gabriel unbedingt sehen, so schnell wie möglich.
    Justus schlichtete gerade einen sich anbahnenden Streit zwischen einem Hausierer und einem Kesselflicker, die beide ihre Waren im Kaffeehaus anpreisen wollten und darüber aneinander geraten waren, als die Tür erneut aufflog. Ein Mann in einem vor Regenwasser tropfenden Mantel aus Wolfsfell und schlammbespritzten hohen Stiefeln kam hereinstolziert. Er brachte einen solchen Windstoß mit sich, dass die Maronenschalen neben Johannas Teller vom Tisch flogen. Auf dem Kopf trug der Fremde einen Fez mit einem Nackenhang, und unter seinem mit einer Spange zusammengehaltenen Fellmantel blitzte die blau-rote Uniform der Janitscharen auf. In der rechten Hand hielt er ein Gewehr. Bunte Blätter, die an seinen Stiefeln geklebt hatten, bildeten eine lange Spur von der Eingangstür bis zur Mitte der Gaststube, wo er stehen geblieben war.
    Johannas erster Gedanke war, dass sich jemand über sie lustig machte und die » alla turca «-Mode aus der Coffeemühle imitierte. Doch dann bemerkte sie die dunkle Hautfarbe, den schwarzen gestutzten Bart mit den ersten grauen Härchen darin und die melancholischen dunklen Augen des Mannes. Nein, das war ein echter Osmane – kein Witzbold, der sie auf den Arm nehmen wollte!
    »Salam Aleikum!« , grüßte Justus weltmännisch.
    Er schien kein bisschen verwundert darüber, dass die Bewohner von Tausendundeine Nacht nun auch in sein wahres Leben eindrangen. Aber vielleicht konnte er das auch gar nicht mehr unterscheiden, ebenso wenig wie Johanna selbst. Sein erstaunliches Talent, die Fassung zu bewahren, egal was um ihn herum passierte, schien ihr auf jeden Fall eine nützliche Eigenschaft für einen künftigen Kaffeehauswirt zu sein.
    »Guten Morgen! Ich möchte zu Yuhanissa Hanim, der Besitzerin dieses Kaffeehauses«, erklärte der pausbäckige Janitschar in holprigem Deutsch mit einem Akzent, als wäre er noch persönlich bei der Belagerung von Wien dabei gewesen. »Ich habe eine wichtige Botschaft von Ihrer Hoheit der Prinzessin Zehra.«
    Wie in Trance erhob sich Johanna von der Bank. Eine Botschaft von Zehra Sultan – was konnte das sein?
    »Ich bin Yuhanissa Hanim«, sagte sie auf Türkisch zu dem Mann.
    »Mein Name ist Batiray.«
    Seine Stimme war hell und sanft. Es hätte Johanna nur wenig überrascht, wenn er sich ihr gleich noch als Obereunuch aus dem Topkapi-Serail vorgestellt hätte.
    Batiray lehnte das Gewehr an die Bank und schälte sich aus seinem tropfenden Mantel. Sein blauer Rock spannte über dem mächtigen Brustkorb. Unter dem Rock kam ein Kettenhemd zum Vorschein, das an einigen Stellen Rost angesetzt hatte.
    »Geben Sie mir das mal, ich poliere es Ihnen!«, sagte Anne sogleich fachmännisch und streckte die Hand aus.
    »Ich bin die ganze Nacht durchgeritten. Mein Pferd habe ich draußen einem Jungen gegeben, der es für mich festhält. Es braucht Wasser, Futter und einen gemütlichen Stall«, sagte der Mann in seinem gebrochenen Deutsch, während er sich gleichzeitig sein schweres Kettenhemd über den Kopf wuchtete.
    »Wir kümmern uns um das Tier«, sagte Johanna. »Anne, sagst du bitte Schosch Bescheid, dass er es zu Radegundis bringt?«
    Sie hatte gesehen, wie sich ihr Neffe sogleich hinter den Billardtisch geduckt hatte, kaum dass ihm aufgegangen war, welch unangenehme Aufgabe da wieder auf ihn wartete. Radegundis Schrader besaß eine Herberge in der Allerheiligengasse und bot den Pferden und Kutschen von Johannas Gästen bei Bedarf einen Unterstand. Aber bei dem Regen war man sofort pitsch nass, wenn man nur den Fuß vor die Tür setzte, wie Schosch wusste. Wie war das erst bei einer so langen Strecke wie vom Markt bis zur Allerheiligengasse?
    Batiray hatte endlich Platz auf der langen Bank genommen. Er schien sichtlich
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