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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin
Autoren: Helena Marten
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Hose gemacht vor Schreck. Aber sie duckt sich einfach, und die Axt fliegt so ein Stück über ihren Kopf hinweg.«
    Justus von Zimmer stand, von sämtlichen Gästen umringt, in der Mitte der Stube und hielt die Hand hoch, um mit Daumen und Zeigefinger einen Abstand anzudeuten, der nicht einmal einen Zoll maß. Er war klitschnass. Das Wasser tropfte an ihm herunter und hatte bereits eine kleine Pfütze zu seinen Füßen gebildet. Ein zotteliger Bart bedeckte die hohlen Wangen unter den geröteten Augen. Seine einstmals vornehme Kleidung schlotterte wie ein schmutziger Lumpen um seinen Körper. Selbst aus der Entfernung konnte Johanna sehen, dass seine Hand von einer schorfigen Krätze übersät war. Aber wie immer schien Justus bestens aufgelegt.
    »Und dann fällt dieser Hurensohn ins Wasser!« Justus brach in schallendes Gelächter aus, das in ein röchelndes Husten überging. Er wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel und sagte immer wieder von heftigem Gelächter geschüttelt: »Ich musste gar nichts machen, versteht ihr? Der ist einfach so von alleine reingefallen!«
    Drei von Justus Kumpanen, darunter der Bankierssohn mit der fehlenden oberen Zahnreihe, der, wie Johanna inzwischen wusste, Hubertus Steinfeld hieß und eigentlich bei seinen Studien in Straßburg weilen sollte, Ortfried von der Lohe und Gregor Denzel legten ihre Hände zu einer Art Sitzfläche zusammen, auf die sie Justus hinunterdrückten.
    »Hipp hipp hurra!«, brüllten sie aus vollem Hals und warfen den Helden des Tages in die Luft.
    Margarethe goss jedem einen Becher heißen Apfelwein ein und rief mit ihrer strengen Stimme:
    »Das geht aufs Haus! Lasst uns alle anstoßen auf den glücklichen Ausgang dieser Geschichte und auf den Tod von Gottfried Hoffmann! Lili ist losgelaufen, um Mutter zu holen. Sie wird sicher gleich zu uns stoßen.« Ihr Blick fiel zur Tür. »Da bist du ja schon«, fügte sie etwas leiser hinzu.
    Sie stellte den dampfenden Krug und die Becher auf dem langen Tisch ab und rannte auf die überraschte Johanna zu. Sie schlang ihre Arme um sie und rief:
    »Gottfried Hoffmanns Leiche ist in Höchst angeschwemmt worden! Ist das nicht großartig? Sie muss irgendwo festgehangen haben, und das Hochwasser hat sie weitergeschwemmt. Und weil keine Stichverletzungen an der Leiche zu erkennen waren, hat man Justus’ Unschuld als erwiesen angesehen. Was für ein Glück, dass sie nicht in den Rhein gespült worden ist und dann ins Meer! Dann hätte Justus ewig im Kerker festsitzen müssen.«
    »Ist das denn sicher?«, fragte Johanna. »Ich meine, ist es sicher, dass es sich um Gottfried handelt? Sehen diese Leichen nicht alle gleich aus? Er liegt ja schon seit einiger Zeit im Wasser.«
    Unendliche Erleichterung machte sich in ihr breit. Natürlich gehörte es sich nicht, sich über den Tod eines Mitmenschen zu freuen. Doch sie freute sich trotzdem. Gottfried Hoffmann war ein fanatischer, unberechenbarer Irrer gewesen, und sie würde ganz bestimmt nicht um ihn trauern.
    »Elisabeth ist gerade losgegangen, um ihn zu identifizieren.«
    Auch Margarethe strahlte.
    »Hoch soll er leben, hoch soll er leben …« , sangen die Gäste, die Justus noch immer wie einen Helden umringten.
    Der sprang nun von seinem Sitz herunter und kam mit ausgebreiteten Armen auf Johanna zu.
    »Liebe Johanna! Die ganze Zeit im Kerker habe ich mir gedacht, so ein Mist, jetzt sitzt du hier für was, das du noch nicht mal getan hast. Hättest du es doch wenigstens getan! Hättest du diesen Halunken doch einfach über die Klinge springen lassen!« Er grinste. »Aber nun ist ja alles gut. Ich finde, das hat sich gelohnt.« Hustend drehte er sich um und deutete auf ein großes Bündel, das auf dem Tisch lag. »Man hat mir gestattet, die Bücher im Knast dazuhaben. Und Ludwig hat mich mit Kerzen versorgt. Auch das haben sie merkwürdigerweise erlaubt.«
    Der Bankierssohn fiel Justus ins Wort.
    »Dein Onkel ist Schultheiß! Dass sie dich überhaupt so lange eingelocht haben, ist ein Wunder!«
    Justus’ Miene verfinsterte sich für einen Augenblick.
    »Die müssen mich sehr satt gehabt haben, dass sie mich so lange im Gefängnis schmoren ließen, meine alten Herrschaften. Scheint, als hätten sie mir eine Lektion erteilen wollen.«
    Dann lächelte er wieder.
    »Aber ich habe die Zeit genutzt! Ich bin gut vorangekommen. Den ersten Band habe ich fertig übersetzt und einmal komplett überarbeitet. Meine Schwester hat dafür gesorgt, dass mir Papier und Tinte nicht
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