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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin
Autoren: Helena Marten
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auf dem letzten Treppenabsatz stehen blieb und eine der beiden davon abgehenden Türen öffnete.
    Der Raum war wirklich nicht mehr als eine winzige, karg möblierte Mansardenkammer mit einer Art Pritsche und einer Waschschüssel in einem Ständer. Aber das war ihm egal. Er würde ein Dach über dem Kopf haben, er müsste nicht auf der Straße schlafen. Und er wäre bei Johanna! Wenn er auch noch immer nicht wusste, wo genau sie sich gerade befand. Doch er würde sie finden – so wie der junge Fischer seine Haremsdame ebenfalls finden würde.
    »Danke!«, drehte er sich zu der wartenden Elisabeth um.
    »Ich versuche, Johanna zu finden. Aber ich muss jetzt schnell wieder nach unten, Sie haben ja gesehen, was für ein Betrieb in der Coffeemühle herrscht.«
    Sie kicherte stolz, als wäre sie persönlich dafür verantwortlich, dass ein solcher Hochbetrieb herrschte, und eilte mit fliegenden Röcken die Stufen wieder hinunter.
    Gabriel stellte den wackeligen Hocker unter die Dachluke und beugte sich weit aus dem schrägen Fenster hinaus. Der Himmel war nun ganz dunkel. Die grauen Schleierwolken hatten sich verzogen und die Sicht auf den Mond und die Sterne freigegeben. Unten im Hof leuchteten ein paar bunte Lampions. Gedämpfte Stimmen und Gelächter drangen zu ihm nach oben. Wo war Johanna? Wie sollte er sie nur finden? Ob sie die Coffeemühle vielleicht verlassen hatte? An den Main gegangen war, unter die Brücke, an den Ort, an dem jener geheimnisvolle Zauber, den man wohl »Liebe« nennen musste, zum ersten Mal zwischen ihnen zu spüren gewesen war? Aber nein, Johanna würde doch nicht alleine in der Dunkelheit an den Fluss gehen!, berichtigte er sich dann. Außerdem waren die Stadttore schon längst verschlossen. Sie musste irgendwo im Haus sein, aber wo? Ob Elisabeth sie zu ihm schicken würde? Vielleicht musste er nur warten. Doch gerade das fiel ihm besonders schwer.
    Ein leichter Windhauch trug einen kaum wahrnehmbaren Duft durch das Mansardenfenster. Süß und mild. Wie Parfüm. Oder Blütenduft. Hatte Johanna nicht etwas von einer Rose gesagt? Er öffnete die Tür seines Zimmers, um herauszufinden, woher der Rosenduft kam. Tief die milde Abendluft einsaugend, lief er den Flur zum Treppenturm entlang. Der Wind streichelte sein Gesicht, als er hinaus ins Freie trat. Ein Dachgarten, Johanna hatte einen Dachgarten! Überall standen Töpfe und Kübel mit Pflanzen herum. Exotische Pflanzen, die er nie zuvor gesehen hatte, und kleine Bäumchen mit winzigen Früchten. Und Rosen, jede Menge Rosen! Ein paar helle Blütenblätter lagen auf dem Boden, doch die meisten Rosensträucher standen noch in voller Pracht. Daher der betörende Duft, der ihn hierhergelockt hatte.
    Wieder sog Gabriel den Duft ein. Und da sah er sie.
    Johanna hatte Schleier, Tuch und Mantel abgelegt und stand in ihrem hellen Kleid aus fließender Seide direkt vor ihm. Wie eine Statue aus weißem Marmor, die aus dem Nichts aufgetaucht war, dachte er. Nur ihr Haar schimmerte kupfern in dem fahlen Mondlicht.
    Wortlos trat sie auf ihn zu. Sie lächelte leicht, als sie nach seinen Händen griff. Ihre Haut war warm unter seinen Fingern.
    »Johanna«, flüsterte er. »Mihrimâh …«
    Ihr Lächeln vertiefte sich. Dann legte sie ihre Lippen auf seinen Mund und küsste ihn.
    Gabriel hatte das Gefühl, von einer reißenden Woge erfasst zu werden. Er war Hüseyin, der in seinem Fischerboot aufs wilde Meer hinausfuhr, sich dem tosenden Element hingab, in dem Wissen, nie mehr aus den Tiefen dieses Ozeans hervorzutauchen. Seine Hände fuhren über den kühlen, glatten Stoff, der ihren Körper umhüllte. Er spürte die Festigkeit ihrer Arme, ihrer Schultern, ihres Rückens, ihrer Brust. Und schließlich die Wärme ihrer Haut, als er seine Finger unter den Saum ihres Kleides gleiten ließ. Er merkte, wie sie den Atem anhielt, als er über die Innenseiten ihrer Schenkel strich.
    Immer leidenschaftlicher wurde ihr Kuss, bis sie schließlich innehielt und noch immer außer Atem zu ihm sagte:
    »Komm, ich führe dich zu meinem Lager, Liebster!«
    Sie nahm ihn bei der Hand und zog ihn hinter den Schornstein, der hoch neben den Dachschindeln aufragte. Eine Hängematte, über die eine bunte Decke gebreitet war, hing zwischen zwei Balken.
    Sie drehte sich zu ihm um.
    »Hierhin komme ich, wenn ich allein sein und alles andere vergessen will.«
    Sie hob die Arme und begann ihm die Jacke von den Schultern zu streifen. Er half ihr, sein Rüschenhemd und seine Hose auszuziehen.
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