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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin
Autoren: Helena Marten
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ausgehen. Ich musste allerdings meistens mit einer stumpfen Feder schreiben, weil man nicht zugelassen hat, dass ich sie mit einem Messer spitze.« Er brach in lautes Gewieher aus. »Die haben gedacht, ich könnte mir was antun! Haha! Ich!«
    Er zog die Nase kraus und schnüffelte ein paarmal. Sein Gesicht verzog sich leicht angewidert.
    »Vielleicht kann ich bei euch ein Bad nehmen? Ich habe mich seit dem Tag, als sie mich eingelocht haben, nicht mehr waschen können.«
    »Ich habe das Wasser schon aufgesetzt«, rief Margarethe vom Herd aus.
    »Ich zeige dir, wo unsere Badewanne steht«, sagte Johanna.
    Sie nahm zwei Eimer vom Haken über dem Herd, mit denen sie kaltes Wasser aus der Regentonne schöpfen würde; das würden sie dann mit dem heißen Wasser mischen. Die Zinkwanne, in der sie badeten, stand im Schuppen.
    »Ich hole dir ein paar frische Sachen von oben. Du wirst wohl auch tagsüber erst mal als Türke herumlaufen müssen.«
    »Da habe ich nichts dagegen, solange niemand von mir verlangt, zu meiner Familie zurückzugehen. Die habe ich so was von gefressen! Mich derart hängen zu lassen! Denn das glaubt doch kein Mensch, dass die mich so lange hätten sitzen lassen wegen einer Lappalie, wenn meine Familie dagegen gewesen wäre.«
    Als Johanna mit den Eimern in der Hand die Tür zum Hof öffnen wollte, ertönte vorne am Eingang die neue Türglocke, und Elisabeth stürmte wie ein Wirbelwind in die Gaststube. Sie fiel dem erstbesten Gast um den Hals und verpasste ihm zwei dicke Schmatzer auf die Wangen.
    »Juchhu!«, schrie sie laut heraus, riss die Arme hoch und sprang in die Luft.
    Alle Köpfe drehten sich zu ihr um.
    »Ich bin Witwe!«, rief sie strahlend quer durch den ganzen Raum. »Ich bin endlich frei!«
    Sie rannte auf Johanna zu, umarmte sie und hüpfte aufgeregt auf der Stelle. Dann kam Justus, packte sie an der Schulter, und gemeinsam führten sie einen Freudentanz auf, während die Gäste im Takt dazu klatschten.
    »Du scheinst dich gar nicht richtig zu freuen, Mutter«, raunte Margarethe Johanna zu, die neben ihr am Herd stand und darauf wartete, dass das Wasser zu kochen begann. »Jetzt ist doch alles gut – wir haben gewonnen: Gottfried ist tot, Elisabeth kann endlich Ludwig heiraten, und Justus ist auch wieder da!«
    Sie warf dem sich immer wilder mit Elisabeth im Kreis drehenden Justus einen verklärten Blick zu.
    »Ja, alles ist gut«, antwortete Johanna leise.
    Und das wäre es vielleicht auch gewesen, wenn sie nicht schon seit Tagen dieses merkwürdige Kribbeln in den Brüsten verspüren würde. Eine Art Rauschen, das man aber nicht hören konnte. Ihre Periode war mehr als zwei Wochen überfällig. »Das kann nicht sein!«, hatte sie sich immer wieder gesagt. »Ich habe acht Jahre lang kein Kind bekommen.« So lange war sie mit Adam ver heiratet gewesen. Ja, es war vollkommen ausgeschlossen, dass sie schwanger war. Sie war unfruchtbar, es hatte lange genug gedauert, bis sie sich damit abgefunden hatte. Also würde sie auch jetzt kein Kind bekommen. Verspürte sie nicht schon seit einer geraumen Weile diesen unangenehmen Schmerz im Unterleib, mit dem sich die Blutungen immer ankündigten? Sobald sie Justus mit seiner Badewanne allein gelassen hatte, würde sie in ihr Zimmer gehen und wieder einmal nachsehen, ob schon Blut da war.
    Denn abgesehen davon, dass es ganz unwahrscheinlich war, dass sie sich in anderen Umständen befand – es durfte einfach nicht sein! Seit jener wunderbaren Septembernacht hatte sie noch zweimal mit Gabriel geschlafen. Statt zurück zu seinen Eltern in die Judengasse zu gehen, war er in das kleine Haus von seinen Musikerfreunden Hans und Hetti nach Rumpenheim gezogen. Kein wirklich idealer Unterschlupf, denn in so einem kleinen Ort kannte jeder jeden, hatte Johanna zu bedenken gegeben. »Ach, weißt du, bei Hans und Hetti gehen die ganze Zeit die merkwürdigsten Gestalten ein und aus. Die Bauern im Ort sind daran gewöhnt«, hatte Gabriel sie beruhigt. »Hetti ist ja die Tochter des Pfarrers, das hättest du nicht gedacht, oder? Deshalb haben die Leute dort Respekt vor ihr.«
    Es war ein langer Weg von Rumpenheim nach Frankfurt. Sie mussten sehr vorsichtig sein, wenn sie sich sahen. Jedes Mal, wenn Johanna dem Bürgerkapitän des Quartiers auf der Straße begegnete, hatte sie ein ungutes Gefühl. Ständig hatte sie den Eindruck, bespitzelt zu werden, machte sich Sorgen, man könnte sie entdecken. Wenn jemand herausposaunte, dass sie eine Affäre mit einem Juden
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