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Die Judenbuche

Die Judenbuche

Titel: Die Judenbuche
Autoren: Annette von Droste-Hülshoff
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Blaukittel
    dringend verdächtigten, man doch nicht mehr als Mutmaßungen wagen konnte. Eine Spur
    schien Licht geben zu wollen: doch rechnete man aus Gründen wenig darauf. Die Abwesenheit
    des Gutsherrn hatte den Gerichtsschreiber genötigt, auf eigene Hand die Sache einzuleiten. Er
    saß am Tische; die Stube war gedrängt voll von Bauern, teils neugierigen, teils solchen, von
    denen man in Ermangelung eigentlicher Zeugen einigen Aufschluß zu erhalten hoffte. Hirten,
    die in derselben Nacht gehütet, Knechte, die den Acker in der Nähe bestellt, alle standen
    stramm und fest, die Hände in den Taschen, gleichsam als stillschweigende Erklärung, daß sie
    nicht einzuschreiten gesonnen seien. Acht Forstbeamte wurden vernommen. Ihre Aussagen
    waren völlig gleichlautend: Brandis habe sie am zehnten abends zur Runde bestellt, da ihm
    von einem Vorhaben der Blaukittel müsse Kunde zugekommen sein; doch habe er sich nur
    unbestimmt darüber geäußert. Um zwei Uhr in der Nacht seien sie ausgezogen und auf man-
    che Spuren der Zerstörung gestoßen, die den Oberförster sehr übel gestimmt; sonst sei alles
    still gewesen. Gegen vier Uhr habe Brandis gesagt: "Wir sind angeführt, laßt uns heimgehen."
    Als sie nun um den Bremerberg gewendet und zugleich der Wind umgeschlagen, habe man
    deutlich im Masterholz fällen gehört und aus der schnellen Folge der Schläge geschlossen, daß
    die Blaukittel am Werk seien. Man habe nun eine Weile beratschlagt, ob es tunlich sei, mit so
    geringer Macht die kühne Bande anzugreifen, und sich dann ohne bestimmten Entschluß dem
    Schalle langsam genähert. Nun folgte der Auftritt mit Friedrich. Ferner: nachdem Brandis sie
    ohne Weisung fortgeschickt, seien sie eine Weile vorangeschritten und dann, als sie bemerkt,
    daß das Getöse im noch ziemlich weit entfernten Walde gänzlich aufgehört, stille gestanden,
    um den Oberförster zu erwarten. Die Zögerung habe sie verdrossen, und nach etwa zehn Mi-
    nuten seien sie weitergegangen und so bis an den Ort der Verwüstung. Alles sei vorüber gewe-
    sen, kein Laut mehr im Walde, von zwanzig gefällten Stämmen noch acht vorhanden, die übri-
    gen bereits fortgeschafft. Es sei ihnen unbegreiflich, wie man dieses ins Werk gestellt, da keine
    Wagenspuren zu finden gewesen. Auch habe die Dürre der Jahreszeit und der mit Fichtenna-
    deln bestreute Boden keine Fußstapfen unterscheiden lassen, obgleich der Grund ringsumher
    wie festgestampft war. Da man nun überlegt, daß es zu nichts nützen könne, den Oberförster

    Literatur Online: Kunstguerilla for Freewarez am: 11.10.2000
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    Annette von Droste-Hülshoff (1779-1848)
    Die Judenbuche

    zu erwarten, sei man rasch der andern Seite des Waldes zugeschritten, in der Hoffnung, viel-
    leicht noch einen Blick von den Frevlern zu erhaschen. Hier habe sich einem von ihnen beim
    Ausgange des Waldes die Flaschenschnur in Brombeerranken verstrickt, und als er umge-
    schaut, habe er etwas im Gestrüpp blitzen sehen; es war die Gurtschnalle des Oberförsters,
    den man nun hinter den Ranken liegend fand, grad ausgestreckt, die rechte Hand um den Flin-
    tenlauf geklemmt, die andere geballt und die Stirn von einer Axt gespalten.
    Dies waren die Aussagen der Förster; nun kamen die Bauern an die Reihe, aus denen jedoch
    nichts zu bringen war. Manche behaupteten, um vier Uhr noch zu Hause oder anderswo be-
    schäftigt gewesen zu sein, und keiner wollte etwas bemerkt haben. Was war zu machen? Sie
    waren sämtlich angesessene, unverdächtige Leute. Man mußte sich mit ihren negativen Zeug-
    nissen begnügen.
    Friedrich ward hereingerufen. Er trat ein mit einem Wesen, das sich durchaus nicht von seinem
    gewöhnlichen unterschied, weder gespannt noch keck. Das Verhör währte ziemlich lange, und
    die Fragen waren mitunter ziemlich schlau gestellt; er beantwortete sie jedoch alle offen und
    bestimmt und erzählte den Vorgang zwischen ihm und dem Oberförster ziemlich der Wahrheit
    gemäß, bis auf das Ende, das er geratener fand, für sich zu behalten. Sein Alibi zur Zeit des
    Mordes war leicht erwiesen. Der Förster lag am Ausgange des Masterholzes; über dreiviertel
    Stunden Weges von der Schlucht, in der er Friedrich um vier Uhr angeredet und aus der dieser
    seine Herde schon zehn Minuten später ins Dorf getrieben. Jedermann hatte dies gesehen; alle
    anwesenden Bauern beeiferten sich, es zu bezeugen, mit diesem hatte er geredet, jenem zu-
    genickt.
    Der Gerichtsschreiber saß unmutig und verlegen da.
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