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Die Judenbuche

Die Judenbuche

Titel: Die Judenbuche
Autoren: Annette von Droste-Hülshoff
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Plötzlich fuhr er mit der Hand hinter sich
    und brachte etwas Blinkendes vor Friedrichs Auge. "Wem gehört dies?" Friedrich sprang drei
    Schritt zurück. "Herr Jesus! Ich dachte, Ihr wolltet mir den Schädel einschlagen." Seine Augen
    waren rasch über das tödliche Werkzeug gefahren und schienen momentan auf einem ausge-
    brochenen Splitter am Stiele zu haften. "Ich weiß es nicht", sagte er fest. Es war die Axt, die
    man in dem Schädel des Oberförsters eingeklammert gefunden hatte. "Sieh sie genau an" fuhr
    der Gerichtsschreiber fort. Friedrich faßte sie mit der Hand, besah sie oben, unten, wandte sie
    um. "Es ist eine Axt wie andere", sagte er dann und legte sie gleichgültig auf den Tisch. Ein
    Blutfleck ward sichtbar; er schien zu schaudern, aber er wiederholte noch einmal sehr be-
    stimmt: "Ich kenne sie nicht." Der Gerichtsschreiber seufzte vor Unmut. Er selbst wußte um
    nichts mehr und hatte nur einen Versuch zu möglicher Entdeckung durch Überraschung ma-
    chen wollen. Es blieb nichts übrig als das Verhör zu schließen.
    Denjenigen, die vielleicht auf den Ausgang dieser Begebenheit gespannt sind, muß ich sagen,
    daß diese Geschichte nie aufgeklärt wurde, obwohl noch viel dafür geschah und diesem Verhö-
    re mehrere folgten. Den Blaukitteln schien durch das Aufsehen, das der Vorgang gemacht, und
    die darauf folgenden geschärften Maßregeln der Mut genommen; sie waren von nun an wie
    verschwunden, und obgleich späterhin noch mancher Holzfrevler erwischt wurde, fand man
    doch nie Anlaß, ihn der berüchtigten Bande zuzuschreiben. Die Axt lag zwanzig Jahre nachher
    als unnützes corpus delicti im Gerichtsarchiv, wo sie wohl noch jetzt ruhen mag mit ihren Rost-
    flecken. Es würde in einer erdichteten Geschichte unrecht sein, die Neugier des Lesers so zu
    täuschen. Aber dies alles hat sich wirklich zugetragen; ich kann nichts davon oder dazutun.

    Am nächsten Sonntage stand Friedrich sehr früh auf, um zur Beichte zu gehen. Es war Mariä
    Himmelfahrt und die Pfarrgeistlichen schon vor Tagesanbruch im Beichtstuhle. Nachdem er
    sich im Finstern angekleidet, verließ er so geräuschlos wie möglich den engen Verschlag, der
    ihm in Simons Hause eingeräumt war. In der Küche mußte sein Gebetbuch auf dem Sims lie-
    gen, und er hoffte, es mit Hülfe des schwachen Mondlichts zu finden; es war nicht da. Er warf
    die Augen suchend umher und fuhr zusammen; in der Kammertür stand Simon, fast unbeklei-
    det; seine dürre Gestalt, sein ungekämmtes, wirres Haar und die vom Mondschein verursachte
    Blässe des Gesichts gaben ihm ein schauerlich verändertes Ansehen. "Sollte er nachtwandeln?"
    dachte Friedrich und verhielt sich ganz still. "Friedrich, wohin?" flüsterte der Alte. "Ohm, seid

    Literatur Online: Kunstguerilla for Freewarez am: 11.10.2000
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    Annette von Droste-Hülshoff (1779-1848)
    Die Judenbuche

    Ihrs? Ich will beichten gehen." "Das dacht ich mir; geh in Gottes Namen, aber beichte wie ein
    guter Christ." "Das will ich", sagte Friedrich. "Denk an die zehn Gebote: du sollst kein Zeugnis ablegen gegen deinen Nächsten." "Kein falsches!" "Nein, gar keines; du bist schlecht unterrich-tet; wer einen andern in der Beichte anklagt, der empfängt das Sakrament unwürdig."
    Beide schwiegen. "Ohm, wie kommt ihr darauf ?" sagte Friedrich dann; "Eu'r Gewissen ist nicht
    rein; Ihr habt mich belogen." "Ich? So?" "Wo ist Eure Axt?" "Meine Axt? Auf der Tenne." "Habt Ihr einen neuen Stiel hineingemacht? Wo ist der alte?" "Den kannst du heute bei Tage im Holz-schuppen finden. Geh", fuhr er verächtlich fort, "ich dachte du seist ein Mann; aber du bist ein
    altes Weib, das gleich meint, das Haus brennt, wenn ihr Feuertopf raucht. Sieh", fuhr er fort,
    "wenn ich mehr von der Geschichte weiß als der Türpfosten da, so will ich ewig nicht selig wer-
    den. Längst war ich zu Haus" fügte er hinzu. Friedrich stand beklemmt und zweifelnd. Er hätte
    viel darum gegeben, seines Ohms Gesicht sehen zu können. Aber während sie flüsterten hatte
    der Himmel sich bewölkt.
    "Ich habe schwere Schuld", seufzte Friedrich, "daß ich ihn den unrechten Weg geschickt ob-
    gleich doch, dies hab ich nicht gedacht; nein, gewiß nicht. Ohm, ich habe Euch ein schweres
    Gewissen zu danken." "So geh, beicht!" flüsterte Simon mit bebender Stimme; "verunehre das
    Sakrament durch Angeberei und setze armen Leuten einen Spion auf den Hals, der schon We-
    ge finden wird, ihnen das Stückchen Brot aus den Zähnen zu reißen, wenn er
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