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Die Judenbuche

Die Judenbuche

Titel: Die Judenbuche
Autoren: Annette von Droste-Hülshoff
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Gerichtsschreiber Kapp trat herein. "Guten Tag, Frau Mergel,"
    sagte er, "könnt Ihr mir einen Trunk Milch geben? Ich komme von M." Als Frau Mergel das Ver-
    langte brachte, fragte er: "Wo ist Friedrich?" Sie war gerade beschäftigt einen Teller hervorzu-
    langen und überhörte die Frage. Er trank zögernd und in kurzen Absätzen. "Wißt Ihr wohl",
    sagte er dann, "daß die Blaukittel in dieser Nacht wieder im Masterholze eine ganze Strecke so
    kahl gefegt haben, wie meine Hand?" "Ei, du frommer Gott!" versetzte sie gleichgültig. "Die
    Schandbuben", fuhr der Schreiber fort "ruinieren alles; wenn sie noch Rücksicht nähmen auf
    das junge Holz, aber Eichenstämmchen wie mein Arm dick, wo nicht einmal eine Ruderstange
    drin steckt! Es ist, als ob ihnen anderer Leute Schaden ebenso lieb wäre wie ihr Profit!" "Es ist
    schade!" sagte Margreth.
    Der Amtsschreiber hatte getrunken und ging noch immer nicht. Er schien etwas auf dem Her-
    zen zu haben. "Habt Ihr nichts von Brandis gehört?« fragte er plötzlich. "Nichts; er kommt
    niemals hier ins Haus." "So wißt Ihr nicht, was ihm begegnet ist?" "Was denn?" fragte Margreth gespannt. "Er ist tot!" "Tot!" rief sie, "was tot? Um Gottes willen! Er ging ja noch heute morgen ganz gesund hier vorüber mit der Flinte auf dem Rücken!" "Er ist tot", wiederholte der
    Schreiber, sie scharf fixierend, "von den Blaukitteln erschlagen. Vor einer Viertelstunde wurde
    die Leiche ins Dorf gebracht."
    Margreth schlug die Hände zusammen. "Gott im Himmel, geh nicht mit ihm ins Gericht! Er
    wußte nicht, was er tat!" "Mit ihm?" rief der Amtsschreiber, "mit dem verfluchten Mörder,
    meint Ihr?" Aus der Kammer drang ein schweres Stöhnen. Margreth eilte hin, und der Schrei-
    ber folgte ihr. Friedrich saß aufrecht im Bette; das Gesicht in die Hà4nde gedrückt und ächzte
    wie ein Sterbender. "Friedrich, wie ist dir?" sagte die Mutter. "Wie ist dir?" wiederholte der Amtsschreiber. "O mein Leib, mein Kopf!" jammerte er. "Was fehlt ihm?" "Ach, Gott weiß es", versetzte sie; "er ist schon um vier mit den Kühen heimgekommen, weil ihm so übel war."
    "Friedrich, Friedrich, antworte doch! Soll ich zum Doktor?" "Nein, nein", ächzte er, "es ist nur Kolik, es wird schon besser."

    Literatur Online: Kunstguerilla for Freewarez am: 11.10.2000
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    Annette von Droste-Hülshoff (1779-1848)
    Die Judenbuche

    Er legte sich zurück; sein Gesicht zuckte krampfhaft vor Schmerz; dann kehrte die Farbe wie-
    der. "Geht", sagte er matt, "ich muß schlafen, dann gehts vorüber." "Frau Mergel", sagte der Amtsschreiber ernst, "ist es gewiß, daß Friedrich um vier zu Hause kam und nicht wieder fortging?" Sie sah ihn starr an. "Fragt jedes Kind auf der Straße. Und fortgehen? wollte Gott, er
    könnt es!" "Hat er Euch nichts von Brandis erzählt?" "In Gottes Namen, ja, daß er ihn im Wal-
    de geschimpft und unsere Armut vorgeworfen hat, der Lump! Doch Gott verzeih mir, er ist tot!
    Geht!" fuhr sie heftig fort; "seid Ihr gekommen, um ehrliche Leute zu beschimpfen? Geht!" Sie
    wandte sich wieder zu ihrem Sohne; der Schreiber ging. "Friedrich, wie ist dir?" sagte die Mut-
    ter.
    "Hast du wohl gehört? Schrecklich, schrecklich! Ohne Beichte und Absolution!" "Mutter, Mutter
    um Gottes willen, laß mich schlafen; ich kann nicht mehr!"
    In diesem Augenblick trat Johannes Niemand in die Kammer; dünn und lang wie eine Hop-
    fenstange aber zerlumpt und scheu, wie wir ihn vor fünf Jahren gesehen. Sein Gesicht war
    noch bleicher als gewöhnlich. "Friedrich", stotterte er, "du sollst sogleich zum Ohm kommen,
    er hat Arbeit für dich; aber sogleich." Friedrich drehte sich gegen die Wand. "Ich komme
    nicht", sagte er barsch, "ich bin krank." "Du mußt aber kommen", keuchte Johannes, "er hat gesagt, ich müßte dich mitbringen." Friedrich lachte höhnisch auf: "Das will ich doch sehen!"
    "Laß ihn in Ruhe, er kann nicht", seufzte Margreth, "du siehst ja, wie es steht." Sie ging auf einige Minuten hinaus; als sie zurückkam, war Friedrich bereits angekleidet. "Was fällt dir ein?"
    rief sie, "du kannst, du sollst nicht gehen!" "Was sein muß, schickt sich wohl" versetzte er und war schon zur Türe hinaus mit Johannes. "Ach Gott", seufzte die Mutter, "wenn die Kinder klein
    sind, treten sie uns in den Schoß, und wenn sie groß sind, ins Herz!"

    Die gerichtliche Untersuchung hatte ihren Anfang genommen, die Tat lag klar am Tage; über
    den Täter aber waren die Anzeichen so schwach, daß obschon alle Umstände die
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