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Die Judenbuche

Die Judenbuche

Titel: Die Judenbuche
Autoren: Annette von Droste-Hülshoff
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nicht wert. Ihr Lumpenpack, dem kein
    Ziegel auf dem Dach gehört! Bis zum Betteln habt ihr es, gottlob, bald gebracht und an meiner
    Tür soll deine Mutter, die alte Hexe, keine verschimmelte Brotrinde bekommen. Aber vorher
    sollt ihr mir noch beide ins Hundeloch."
    Friedrich griff krampfhaft nach einem Aste. Er war totenbleich, und seine Augen schienen wie
    Kristallkugeln aus dem Kopfe schießen zu wollen. Doch nur einen Augenblick. Dann kehrte die
    größte, an Erschlaffung grenzende Ruhe zurück. "Herr", sagte er fest, mit fast sanfter Stimme,
    "Ihr habt gesagt, was Ihr nicht verantworten könnt und ich vielleicht auch. Wir wollen es ge-
    geneinander aufgehen lassen, und nun will ich Euch sagen, was Ihr verlangt. Wenn Ihr die
    Holzfäller nicht selbst bestellt habt, so müssen es die Blaukittel sein; denn aus dem Dorfe ist
    kein Wagen gekommen; ich habe den Weg ja vor mir, und vier Wagen sind es. Ich habe sie
    nicht gesehen, aber den Hohlweg hinauffahren hören." Er stockte einen Augenblick. "Könnt Ihr
    sagen, daß ich je einen Baum in Eurem Revier gefällt habe? Überhaupt, daß ich je anderwärts
    gehauen habe als auf Bestellung? Denkt nach, ob Ihr das sagen könnt."
    Ein verlegenes Murmeln war die ganze Antwort des Försters, der nach Art der meisten rauhen
    Menschen leicht bereute. Er wandte sich unwirsch und schritt dem Gebüsche zu. "Nein, Herr",
    rief Friedrich, "wenn Ihr zu den anderen Förstern wollt, die sind dort an der Buche hinaufge-
    gangen." "An der Buche?" sagte Brandis zweifelhaft, "nein, dort hinüber, nach dem Master-
    grunde." "Ich sage Euch, an der Buche; des langen Heinrich Flintenriemen blieb noch am
    krummen Ast dort hängen; ich habs ja gesehen!"
    Der Förster schlug den bezeichneten Weg ein. Friedrich hatte die ganze Zeit hindurch seine
    Stellung nicht verlassen; halb liegend, den Arm um einen dürren Ast geschlungen, sah er dem
    Fortgehenden unverrückt nach, wie er durch den halbverwachsenen Steig glitt, mit den vor-
    sichtigen, weiten Schritten seines Metiers, so geräuschlos wie ein Fuchs die Hühnersteige er-
    klimmt. Hier sank ein Zweig hinter ihm, dort einer; die Umrisse seiner Gestalt schwanden im-
    mer mehr. Da blitzte es noch einmal durchs Laub. Es war ein Stahlknopf seines Jagdrocks; nun

    Literatur Online: Kunstguerilla for Freewarez am: 11.10.2000
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    Annette von Droste-Hülshoff (1779-1848)
    Die Judenbuche

    war er fort. Friedrichs Gesicht hatte während dieses allmählichen Verschwindens den Ausdruck
    seiner Kälte verloren und seine Züge schienen zuletzt unruhig bewegt. Gereute es ihn viel-
    leicht, den Förster nicht um Verschweigung seiner Angaben gebeten zu haben? Er ging einige
    Schritte voran, blieb dann stehen. "Es ist zu spät", sagte er vor sich hin und griff nach seinem
    Hute. Ein leises Picken im Gebüsche, nicht zwanzig Schritte von ihm. Es war der Förster, der
    den Flintenstein schärfte. Friedrich horchte.
    "Nein!" sagte er dann mit entschlossenem Tone, raffte seine Siebensachen zusammen und
    trieb das Vieh eilfertig die Schlucht entlang.

    Um Mittag saß Frau Margreth am Herd und kochte Tee. Friedrich war krank heimgekommen, er
    klagte über heftige Kopfschmerzen und hatte auf ihre besorgte Nachfrage erzählt, wie er sich
    schwer geärgert über den Förster, kurz den ganzen eben beschriebenen Vorgang mit Ausnah-
    me einiger Kleinigkeiten, die er besser fand für sich zu behalten. Margreth sah schweigend und
    trübe in das siedende Wasser. Sie war es wohl gewohnt, ihren Sohn mitunter klagen zu hören,
    aber heute kam er ihr so angegriffen vor wie sonst nie. Sollte wohl eine Krankheit im Anzuge
    sein? Sie seufzte tief und ließ einen eben ergriffenen Holzblock fallen.
    "Mutter!" rief Friedrich aus der Kammer. "Was willst du?" "War das ein Schuß?" "Aber nein, ich weiß nicht, was du meinst." "Es pocht mir wohl nur so im Kopfe", versetzte er.
    Die Nachbarin trat herein und erzählte mit leisem Flüstern irgendeine unbedeutende Klatsche-
    rei, die Margreth ohne Teilnahme anhörte. Dann ging sie. "Mutter!" rief Friedrich. Margreth
    ging zu ihm hin ein. "Was erzählte die Hülsmeyer?" "Ach gar nichts, Lügen, Wind!" Friedrich
    richtete sich auf. "Von der Gretchen Siemers; du weißt ja wohl, die alte Geschichte; und ist
    doch nichts Wahres dran." Friedrich legte sich wieder hin. "Ich will sehen ob ich schlafen
    kann", sagte er.
    Margreth saß am Herde; sie spann und dachte wenig Erfreuliches. Im Dorfe schlug es halb
    zwölf; die Tür klinkte, und der
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