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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere
Autoren: Rainer M. Schroeder
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broke gewillt war, die gewaltige Summe von 25 000 Pfund für ein Bündel wertloser Anteilsscheine zu zahlen!
    Byron Bourke wünschte, es wäre schon Samstag und er könnte die Antwort auf die quälende Frage bezüglich der »kleinen Gefälligkeit« auf der Stelle erfahren!

2
    U nd ich sage, du bluffst, McLean!« Der stiernackige Bursche, der auf den Namen Fluke hörte und sich in diesem verrückten Marathonpo ker als überraschend hartgesottener Berufsspieler erwiesen hatte, spuckte ein Stück Tabak von der dicken kalten Zigarre aus, auf der er schon seit Stunden herumkaute.
    Alistair McLean zog nur leicht die sanft geschwungenen Augen brauen hoch, um die ihn so manch eine Frau beneidete. »Und? Hast du auch den Mumm herauszufinden, ob du mit deiner Vermutung richtig liegst?«, fragte er spöttisch. »Also was ist, gehst du mit oder steigst du aus?«
    Fluke schnaubte und verzog das Gesicht. »Das hättest du wohl gern!«
    Alistair McLean zuckte die Achseln und zwang ein unbekümmertes Lächeln auf sein Gesicht, dessen jungenhafte Züge ihn schon an so manchem Spieltisch von großem Vorteil gewesen waren, hielt man ihn doch für etliche Jahre jünger als fünfundzwanzig und damit auch für unbedarft in einer Runde ausgebuffter Zocker.
    Das Lächeln kostete ihn einige Anstrengung, denn er fühlte sich so ausgelaugt und erledigt wie schon lange nicht mehr. Die Pokerrunde, die erst kurz nach Mitternacht hier im Hinterzimmer der Half Moon Tavern von Billingsgate begonnen hatte, ging mittlerweile in die fünfzehnte Stunde. Da lagen bei allen nicht nur die Nerven blank, sondern auch Geistesgegenwart und physisches Sitzfleisch stießen selbst bei einem Berufsspieler wie ihm nun allmählich an ihre Gren zen. Die dunkelblonden Locken hingen ihm längst so schweißnass in die Stirn, wie ihm das Hemd auf dem Rücken klebte. Seine hellblau en Augen brannten vom Rauch der Zigarren, Pfeifen und Zigaretten und das anfänglich dumpfe Pochen in seinem Schädel hatte sich mittlerweile in ein schmerzhaftes Stechen verwandelt.
    Aber dennoch zuckte er nicht mit der Wimper, als Fluke ihn über den Kartentisch hinweg aus schmalen Augen fixierte, als wollte er kraft seines stechenden Blickes herausfinden, welches Blatt er in der Hand hielt. Sollte der Kerl nur starren, der fette Pot in der Mitte des mit grünem Filz bespannten Tisches gehörte ihm! Und dann war für ihn Schluss! Nur ein Gewinn, den man beim Aufstehen vom Spiel tisch in den Händen hielt, war ein sicherer Gewinn.
    Er wusste, dass er das Spiel gewonnen hatte. Nach fast fünfzehn Stunden hatte ihm Fortuna endlich die richtigen Karten in die Hand gespielt, um seinen Hals noch rechtzeitig aus der Schlinge zu ziehen. Denn mit einem skrupellosen Kredithai wie Kendall »Snake« Taylor, der ein Dutzend Buchmacher im East End kontrollierte und seine Finger noch in manch anderem schmutzigem Geschäft stecken hat te, war nicht zu spaßen. Schon gar nicht, wenn man so bei ihm mit satten hundert Pfund in der Kreide stand und er zwanzig Prozent Zinsen nahm – und zwar nicht per annum, sondern pro Woche!
    »Nun mach schon, Fluke. Zieh mit oder steig aus, Mann!«, brummte einer der anderen Mitspieler ungeduldig. Die vier waren schon alle ausgestiegen und wollten endlich sehen, wer von den beiden nun diesen dicken Pot einstrich, der im Laufe des letzten Spiels mit über hundertzwanzig Pfund angefüttert worden war.
    Während Fluke noch zögerte, überlegte Alistair McLean schon, wie es mit ihm weitergehen sollte. Er war Londons überdrüssig. Längst kannte er hier jeden lukrativen Spielsalon. Doch was viel schwerer wog, war, dass man auch ihn mittlerweile überall kannte und deshalb auf der Hut war, wo immer er auftauchte. Es wurde also Zeit für einen Ortswechsel. Am besten kaufte er sich von dem Rest des Gel des, das ihm nach Begleichung seiner Schulden bei Kendall noch bleiben würde, ein Ticket für eine mehrwöchige Schiffspassage. Da der Winter vor der Tür stand, bot es sich an, bei der Peninsula & Orien tal Steam Navigation Company eine Überfahrt mit einem ihrer Damp fer nach Ägypten zu buchen. Natürlich musste er erster Klasse reisen, auch wenn ihn das schmerzliche zwanzig Pfund kostete. Aber nur den begüterten Passagieren der ersten Klasse saß das Geld locker genug in der Tasche, damit sich die Investition für ihn auch lohnte. Insbesondere die hohen Kolonialbeamten und Offiziere, die auf dem Weg nach Indien waren und die Route via Gibraltar und Mar seille durch den
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