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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere
Autoren: Rainer M. Schroeder
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fatale Fehlinvestition auf sein bisher so sorgloses und beschauliches Leben und das seiner vierzehnjährigen, also noch unmündigen Zwillingsschwestern Alice und Helen haben würde. Und fast wurde ihm körperlich übel bei der Vorstellung, dass er schon bald gezwungen sein würde, das Anwesen in Grove Park zu verkaufen, Alice und Helen von dem nicht gerade preiswerten Mädchenpensionat in Croydon zu nehmen und sich um eine schlecht bezahlte Lehrtätigkeit an irgendeinem College zu bemühen.
    Die Ankündigung, das Ende der Welt stehe unmittelbar bevor, hät te ihn nicht tiefer erschüttern können als das, was ihm auf der Fahrt zum Athenaeum Club an düsteren Gedanken und Befürchtungen über sein zukünftiges Leben durch den Kopf jagte.
    Deshalb schenkte er auch dem mit Siegellack verschlossenen Brief keine Beachtung, den man ihm bei seinem Eintreffen im Klub mit dem Hinweis überreichte, er sei schon am Morgen von einem livrier ten Boten überbracht worden. Denn was am Morgen vielleicht noch dringlich gewesen sein mochte, gehörte im Angesicht seines finan ziellen Ruins inwischen zu den Lappalien eines in Trümmern liegen den Lebens und konnte warten.
    Erst als Byron Bourke schon seinen dritten Whisky hinunterge kippt und damit einen persönlichen Rekord an im Klub konsumier ten Drinks aufgestellt hatte, ohne damit jedoch die üblen Gedanken aus seinem Kopf vertrieben zu haben, griff er zu jenem Brief.
    Auf der Vorderseite des Umschlags, dessen teure Papierqualität ihm sofort ins Auge stach, stand als Anschrift nichts weiter als Byron Bourke, Esquire in breiter burgunderroter Handschrift. Einen Absender trug der Brief nicht, nur einen rotbraunen heraldischen Siegelabdruck, dessen Umrisse leicht verzogen waren und der ihm daher auch nichts sagte.
    Achtlos erbrach er das Siegel, riss den Umschlag auf, zog den cremefarbenen Briefbogen aus schwerem geschöpftem Bütten her vor und faltete ihn auseinander. Als sein Blick auf die schlichte, aufgedruckte Doppelzeile des Briefkopfes fiel, stutzte er, trug sie doch den Namen eines Mannes, auf den man gelegentlich in Zeitungsbe richten über die Sitzungen des House of Lords, über großartige Fuchs jagden und andere gesellschaftliche Ereignisse des Hochadels stieß!
    Lord Arthur Pembrok e 7 th Earl of Castleboroug h
    Persönlich war er Lord Pembroke noch nie begegnet, weil sie sich wahrlich nicht in denselben gesellschaftlichen Kreisen bewegten. Und deshalb fragte er sich voller Verwunderung, was es wohl mit diesem Brief auf sich haben mochte.
    Seine Verwunderung verwandelte sich in Fassungslosigkeit, als er wenige Augenblicke später die wenigen handschriftlichen Zeilen überflogen hatte. Die Nachricht Seiner Lordschaft, nüchtern und knapp formuliert, aber elektrisierend und verstörend in ihrem In halt, an ihn lautete:
    Mister Byron Bourke, sollten Sie geneigt sein, mir Ihre wertlos gewordene Beteiligung an der Spindletop Mining Company für 25 000 Pfund zu verkaufen, und bereit sein, sich im Gegenzug mit einer kleinen Gefälligkeit erkenntlich zu zeigen, bitte ich Sie an diesem kommenden Samstag um Ihren Wochenendbesuch bei mir auf Pembroke Manor. Nehmen Sie den Zug der South Eastern Rail way von Grove Park, der an der Bahnstation von Westonhangar, einer klei nen Ortschaft wenige Meilen vor Dover, planmäßig um 17 Uhr 10 eintrifft. Meine Kutsche wird zu dieser Zeit dort auf Sie warten und Sie die restliche kurze Wegstrecke nach Pembroke Manor bringen.
    Unterzeichnet war das Schreiben schlicht und grußlos mit
    Lord A. Pembroke
    Mit zunehmender Beunruhigung starrte Byron Bourke auf den Brief und las ihn wieder und wieder. Er hatte sofort begriffen, dass es eine Verbindung zwischen James Fitzroy, der fatalen Investition in diese Minengesellschaft und Lord Pembroke geben musste. Auch lag es für ihn klar auf der Hand, dass es kein Zufall sein konnte, dass er vor einer Stunde von seinem Anwalt die Nachricht seines finanziel len Ruins und nun hier im Klub diesen Brief erhalten hatte, der ihm Rettung vor dem Sturz in die Mittellosigkeit versprach.
    Aber wenn all dies Teil einer fein gesponnenen Intrige war, bei der ein Hinterhofanwalt wie James Fitzroy und ein mächtiger Adliger wie Lord Pembroke ihre Finger im Spiel hatten, wo lag dann bloß das Motiv für die Falle, in die man ihn gelockt hatte? Und was hatte es mit der »kleinen Gefälligkeit« auf sich, die Lord Pembroke als Gegen leistung erwartete?
    Er fürchtete, dass sie so klein nicht sein konnte, wenn Arthur Pem
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