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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes
Autoren: Willis Connie
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einem Tabakwarenladen, der mit roten und grünen Blinklichtern geschmückt war, und dann durch die Tür, die Mary ihm aufhielt.
    Seine Brille beschlug sich augenblicklich. Er nahm sie ab, um die Gläser am Kragen seines Mantels abzuwischen. Mary schloß die Tür und führte ihn in verschwommenes Braun und köstliche Stille.
    »Ach du liebe Zeit«, sagte Mary. »Und ich sagte Ihnen, daß dies ein Lokal von der Sorte sei, wo sie keine Weihnachtsdekorationen anbringen.«
    Dunworthy setzte seine Brille wieder auf. Die Regale hinter der Theke waren mit Girlanden aus blaßgrünen, rosa und blaßblauen Blinklichtern behängt. Auf der Thekenecke stand ein großer Weihnachtsbaum aus Plastik auf einem Drehteller.
    Außer einem muskulös aussehenden Mann hinter der Theke war niemand in dem schmalen Raum. Mary quetschte sich zwischen zwei leeren Tischen durch und setzte sich in die Ecke.
    »Wenigstens können wir hier drinnen nicht dieses elende Glockenspiel hören«, sagte sie und stellte ihre Einkaufstasche neben sich auf die Holzbank. »Nein, ich werde die Getränke besorgen. Setzen Sie sich. Dieser Radfahrer hätte Sie beinahe umgefahren.«
    Sie kramte ein paar zerdrückte Pfundnoten aus der Einkaufstasche und ging zur Theke. »Zwei Pint Bitter«, sagte sie zum Barkeeper.
    »Möchten Sie etwas essen?« fragte sie Dunworthy über die Schulter. »Es gibt belegte Brote und Käsesemmeln.«
    »Haben Sie gesehen, wie Gilchrist in die Konsole grinste? Er sah nicht mal nach, ob Kivrin fort war oder ob sie noch da lag, halbtot.«
    »Sagen wir, zwei Pint Bitter und einen doppelten Whisky«, sagte Mary.
    Dunworthy setzte sich. Auf dem Tisch stand eine kleine Krippe, mit winzigen Plastikschafen und einem halbnackten Jesuskind. »Gilchrist hätte sie vom Ausgrabungsort fortschicken sollen«, sagte er. »Die Berechnungen für eine Ferndistanz sind ungleich komplizierter als für ein Absetzen an Ort und Stelle. Ich glaube, ich sollte dankbar sein, daß er sie nicht auch noch mit Zeitverzögerung schickte. Der Lehrling hätte die Berechnungen nicht machen können. Als ich ihm Badri auslieh, fürchtete ich, Gilchrist würde sich für Zeitverzögerung anstelle von Realzeit entscheiden.«
    Er schob eines der Plastikschafe näher zum Hirten. »Wenn ihm überhaupt bewußt ist, daß es einen Unterschied gibt«, sagte er.
    »Wissen Sie, was er sagte, als ich ihm vorschlug, er solle mindestens eine unbemannte Erprobung durchführen? Er sagte: ›Sollte irgendein unglückliches Mißgeschick passieren, können wir in der Zeit zurückgehen und Miss Engle herausholen, bevor es geschieht, nicht wahr?‹ Der Mann hat keine Vorstellung davon, wie das Netz funktioniert, keine Vorstellung von den Paradoxien, keine Vorstellung davon, daß Kivrin dort ist, und daß alles, was ihr widerfährt, wirklich und unwiderruflich ist.«
    Mary manövrierte sich zwischen den Tischen durch, den Whisky in einer Hand, die beiden Biergläser in der anderen balancierend. Sie stellte den Whisky vor ihn auf den Tisch. »Das ist meine Standardverschreibung für Opfer von Fahrradunfällen und überängstliche Väter. Haben Sie sich am Bein verletzt?«
    »Nein.«
    »Ich hatte letzte Woche einen Fahrradunfall. Einer von Ihren 20.-Jahrhundert-Leuten. Kam gerade aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Zwei Wochen unversehrt in den flandrischen Materialschlachten und dann lief er in ein Hochrad.« Sie ging zurück zur Theke, um ihre Käsesemmel zu holen.
    »Ich hasse Parabeln«, sagte Dunworthy. Er nahm die Marienfigur zwischen Daumen und Zeigefinger. Sie war weiß gekleidet mit einem blauen Umhang. »Wenn er sie mit Zeitverzögerung geschickt hätte, wäre sie wenigstens nicht in Gefahr gewesen, zu erfrieren. Sie hätte etwas Wärmeres als ein Futter aus Kaninchenfell haben müssen, oder war Gilchrist nicht bekannt, daß die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts als die Kleine Eiszeit bekannt war?«
    »Gerade habe ich gedacht, an wen Sie mich erinnern«, sagte Mary, als sie ihren Teller und eine Serviette vor sich plazierte. »An William Gaddsons Mutter.«
    Das war eine wirklich unfaire Bemerkung. William Gaddson war einer seiner Erstsemester. Seine Mutter war während dieses Semesters sechsmal nach Oxford gekommen, das erste Mal, um ihrem Sohn Ohrenschützer zu bringen.
    »Er erkältet sich, wenn er sie nicht trägt«, hatte sie Dunworthy gesagt. »Willy ist schon immer anfällig für Erkältungen gewesen, und nun ist er so weit von zu Hause und alles. Sein Tutor kümmert sich nicht
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